Wie werde ich Corporate Influencer?

Wie wird man vom sichtbaren Unternehmensangehörigen zum Corporate Influencer? Geht das überhaupt ohne offizielle Bestellung? – Wie man Corporate-Influencer-Programme startet, was dabei zu beachten ist und wie Mitarbeitende erfolgreich eingebunden werden: Darum geht es hier im PR-Doktor häufig. Dieser Beitrag richtet sich jedoch vor allem direkt an einzelne Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, an Führungskräfte ebenso wie an Mitarbeitende aus allen anderen Unternehmensebenen. Es geht um Entscheidungskriterien und Stolperfallen ebenso wie um die richtigen Fragen zum Start in das berufliche Personal Branding

Viele Unternehmen haben es schon: ein Corporate-Influencer-Programm. In manchen Firmen wollen die Entscheider aus unterschiedlichsten Gründen immer noch nichts davon wissen oder fangen gerade erst an, sich der Thematik anzunähern. Doch oft sind Mitarbeitende längst viel weiter als die offiziellen Kommunikationsabteilungen und engagieren sich auch mit beruflichen Themen bereits sehr aktiv in sozialen Netzwerken. Doch wie wird man vom sichtbaren Unternehmensangehörigen zum Corporate Influencer? Geht das überhaupt ohne offizielle Bestellung seitens des Arbeitgebers? Und was sollten Sie beachten, bevor Sie sich in eigener Initiative für Unternehmensthemen sichtbar machen?

Sind Sie vielleicht längst ein Corporate Influencer?

Eine wirklich einheitliche Begrifflichkeit gibt es noch nicht. In manchen Unternehmen werden die offiziell an einem Programm Teilnehmenden als „Markenbotschafter“ bezeichnet. Andere Menschen verwenden den Begriff „Corporate Influencer“ auch dann, wenn es nur einzelne sichtbare Köpfe aus dem Unternehmen gibt; oder wenn viele Mitarbeitende zwar sichtbar sind, aber weder an einem Programm teilnehmen noch eine eigene Initiative ins Leben gerufen haben. Weitere Begriffe wie etwa „Brand Ambassadors“, die englische Übersetzung von „Markenbotschafter“, werden auch zuweilen verwendet. Ich habe mittlerweile auch schon einige andere Bezeichnungen gehört. Entscheidend ist, dass sie für die Beteiligten passt und dass alle sich darin einig sind, was gemeint ist.

Fest steht: Sobald Sie als Unternehmensangehörige*r erkennbar sind und vor allem dann, wenn Sie sich beispielsweise in sozialen Netzwerken beruflich äußern, werden Sie als Vertreterin oder Vertreter der Marke wahrgenommen. Dies geschieht meist unabhängig davon, ob es Ihnen bewusst ist oder ob Ihr Arbeitgeber Sie in dieser Rolle wertschätzt und unterstützt. Denken Sie nur an die Fahrerin eines Lieferwagens mit Firmenaufschritt, die im Straßenverkehr andere gefährdet.

Bewusst gestalten – Sicherheit schaffen

Wie Sie es nun nennen, und ob Sie sich selbst als Corporate Influencer oder als Markenbotschafter*in verstehen: In dem Moment, in dem Sie sich in Social Media als einem Unternehmen zugehörig sichtbar machen, sollten Sie sich auch Gedanken über Ihre Rolle ebenso wie über rechtliche Aspekte machen und sich idealerweise auch innerhalb des Unternehmens abstimmen.

Dies dient allein schon Ihrer eigenen Sicherheit. Je informierter Sie an die Sache herangehen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Sie beispielsweise versehentlich und unbeabsichtigt Schleichwerbung machen, gegen unternehmensinterne oder branchenbezogene Regeln verstoßen.

Spätestens also wenn Sie bereits ein Profil etwa in einem Business-Netzwerk wie LinkedIn oder XING aktiv bespielen, ebenso aber wenn Sie auf Facebook, Twitter oder Instagram in Ihrer beruflichen Identität erkennbar sind, sollten Sie sich einige Fragen stellen.

Sie nehmen bereits an einem entsprechenden Programm im Unternehmen teil? Dann haben Sie natürlich viele der Fragen bereits für sich geklärt. Aber womöglich finden Sie die eine oder andere Anregung, Ihre eigene Rolle noch einmal zu reflektieren und den einen oder anderen Aspekt zu vertiefen.

Fragen, die sich jeder (angehende) Corporate Influencer stellen sollte:

Gibt es im Unternehmen schon ein Corporate-Influencer-Programm?

Falls Sie nicht ohnehin schon daran teilnehmen: Unwahrscheinlich, dass Sie noch nicht davon erfahren haben, wenn es eines gibt – aber nicht unmöglich. In vielen Unternehmen starten Corporate-Influencer-Programme erst einmal als Pilotprojekt mit einer kleinen Gruppe. Idealerweise wird darüber offen und transparent kommuniziert. Aber gerade in größeren Unternehmen mit multinationalen Standorten erfahren nicht immer alle davon. Es hängt sehr von der Art des Programms ab, ob eine Teilnahme ohne Weiteres sofort möglich ist. Hier finden Sie eine Übersicht über verschiedene idealtypische Formen von Programmen. Die genaue Ausprägung ist aber meistens so individuell wie das Unternehmen und seine Belegschaft selbst.

Häufig jedoch können alle von den Erfahrungen der Pilotinnen und Piloten im Startprogramm lernen. Eine genauere Nachfrage lohnt sich oft, und einem informellen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen steht ja darüber hinaus meistens nichts entgegen.

Kenne ich die Social-Media-Guidelines?

Klingt banal, ist es aber nicht. Tatsächlich haben immer noch lange nicht alle Unternehmen aktuelle Social-Media-Guidelines, die den Namen auch verdient haben. Doch wenn es bei Ihrem Arbeitgeber welche gibt, dann sollten Sie diese auch kennen, sobald Sie sich in sozialen Netzwerken bewegen. Oft verbergen sich hier wirklich wertvolle Tipps und Informationen.

Wo möchte ich mit meiner beruflich orientierten Personenmarke hin?

Fachliche Expertise zeigen, Vorbild für den Nachwuchs sein, zu gemeinsamen Werten in einer Community beitragen, bestimmte Themen nach vorne bringen oder einfach nur zeigen, wie gerne man den eigenen  Job macht: Wer sich anderen Menschen zeigt und sich mit ihnen austauscht – und das gilt nicht nur in Social Media –, sollte sich beizeiten Gedanken über Selbstbild und Fremdbild machen. Persönliche Ziele und Unternehmensziele sind nicht immer komplett deckungsgleich, haben aber idealerweise zumindest eine große Schnittmenge. Diese gilt es abzugrenzen beziehungsweise auszuloten.

Personal Branding, also die gezielte Gestaltung der eigenen Außenwirkung nicht nur in sozialen Netzwerken, braucht immer eine persönliche Kommunikationsstrategie. Mehr dazu finden Sie beispielsweise hier. Darüber hinaus sollten Sie sich Gedanken zur Themenfindung, zur Entwicklung der Inhalte inklusive Formulierung und Gestaltung machen. Auch über Ihr Zeitbudget für soziale Netzwerke sollten Sie nachdenken. In diesem Zusammenhang bietet es sich wiederum an, mit den Vorgesetzten zu klären, ob und inwieweit Sie sich in Ihrer Arbeitszeit beruflich in Social Media bewegen dürfen.

Brauche ich eine Genehmigung, um loszulegen?

In dem Moment, in dem jemand als offizieller Corporate Influencer bestellt ist, sind bestimmte Regeln zu beachten. Hier ist natürlich vor allem der Arbeitgeber in der Pflicht zu informieren und Vorsorge zu treffen. Grundsätzlich steht es natürlich jedem Menschen frei, Profile in sozialen Netzwerken anzulegen, von bestimmten Ausnahmen abgesehen.

Doch nicht jede*r ist ein Pressesprecher, auch nicht diejenigen, die aus eigener Initiative schon große Sichtbarkeit in digitalen Medien aufgebaut haben. Wer nicht offiziell dazu bestellt ist, für das Unternehmen zu sprechen, sollte besonders bei sensiblen Themen sehr genau hinschauen und lieber einmal mehr um Rat fragen oder sich mit einem Kollegen beziehungsweise Vorgesetzten beraten.

Auch lohnt es sich nachzufragen, welche Informations-, Fortbildungs- und Unterstützungsangebote es vielleicht über die Social-Media-Guidelines hinaus gibt. In vielen Unternehmen, in denen noch kein regelrechtes Programm vorhanden ist, besteht zumindest ein Bewusstsein für das Thema.

Dass alle Regeln der Geheimhaltung sowie andere Regelungen auch für Äußerungen in sozialen Netzwerken gelten, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben; ebenso die Tatsache, dass man nicht immer nur an die großen öffentlichen Plattformen denken sollte, sondern auch an Mikronetzwerke, etwa in Messengern oder geschlossenen Chatgruppen.

Kann ein Unternehmen aber seinen Mitarbeitenden verbieten, Profile auf einer Plattform anzulegen, beispielsweise auf XING oder LinkedIn, oder sich in allen oder in bestimmten sozialen Netzwerken als Unternehmensangehörige zu zeigen? Was kann der Arbeitgeber verbieten, was nicht?

Hierzu sagt der Rechtsanwalt Dr. Thomas Schwenke:

„Das Anlegen von Accounts kann der Arbeitgeber nicht verhindern. Auch wird er im Regelfall nicht verhindern können, dass er als Arbeitgeber angegeben wird. Ausnahmen können vorliegen, wenn ein besonderes Interesse des Arbeitgebers vorliegt und dies wirksam vereinbart wurde. Denn es stellt einen Nachteil für Arbeitnehmer da, wenn sie privat ständig darauf achten müssen, ihre Arbeitgeber nicht preiszugeben. Ein solches besonderes Interesse ist zum Beispiel im Sicherheitssektor oder in bestimmten wirtschaftlichen Konkurrenzkonstellationen vorstellbar.

Ferner kann ein Unternehmen private Handlungen untersagen, die zum Nachteil des Unternehmens führen können. Es ist zwar nicht erlaubt, private Accounts von Mitarbeitern zu überwachen. Allerdings können und müssen Arbeitgeber in manchen Fällen sogar tätig werden, wenn ihre Mitarbeiter sich in der Öffentlichkeit ungebührlich oder gar strafwidrig verhalten. Dabei können sie den Mitarbeitern zwar auch strafbare private Ansichten nicht untersagen. Unternehmen können jedoch je nach Schweregrad Mitarbeiter kündigen. Eine Kündigung ist vor allem dann möglich, wenn Mitarbeiter in der Öffentlichkeit strafbare Ansichten kundtun. Das gilt vor allem, wenn die Aussagen der Unternehmensphilosophie widersprechen.“ (zitiert aus dem Buch: Markenbotschafter – Erfolg mit Corporate Influencern)

Weiß ich, was ich aus rechtlicher Sicht tun darf – und wo ich aufpassen muss?

Auch bei dieser Frage helfen oft die Social-Media-Guidelines bereits weiter. Doch wenn es im Unternehmen weder diese gibt, geschweige denn ein Corporate-Influencer-Programm, liegt die Verantwortung oft zunächst bei den Einzelnen, die sich aus Eigeninitiative engagieren.

Daher gilt für die berufliche Präsenz ebenso wie für jede private Aktivität im Netz: Über die grundlegenden Regeln sollten Sie sich informieren. Dazu gehören beispielsweise Urheber-, Persönlichkeits- und Zitatrechte. Aber auch Schleichwerbung und Kennzeichnungspflichten gehören zum Pflichtwissen für informierte Internetnutzer.

Wen kann ich im Fall der Fälle ansprechen?

Wer sich in sozialen Netzwerken zeigt, kann nicht vermeiden, auch einmal einen Fehler zu machen oder mit einer unbedachten Äußerung anzuecken. Darüber hinaus erfährt er oder sie aber womöglich auch schneller als das offizielle Monitoring von Entwicklungen, die dem Unternehmen schaden könnten oder von denen die Unternehmenskommunikation und die Unternehmensleitung zumindest wissen sollten. Daher sind gut vernetzte Mitarbeitende, die das Ohr an der Community haben, sehr wertvoll.

Sowohl für den einen Fall (Sie brauchen Unterstützung) als auch den anderen Fall (Sie möchten etwas mitteilen), sollten Sie bereits wissen, an wen Sie sich kurzfristig wenden können. Dies erst zu recherchieren, wenn es eilt, kostet oft wertvolle Zeit, die für die rasche Krisenintervention besser genutzt ist.

Kann ich selbst ein Corporate-Influencer-Programm starten?

Tatsächlich gibt es immer mehr sogenannte Graswurzelbewegungen, in denen sich Unternehmensangehörige selbst organisieren und als Markenbotschafter*innen für das Arbeitgeber-Unternehmen engagieren. Die wohl bekannteste dieser Bewegungen ist die der „Telekom Botschafter“:

„Die Telekom Botschafter sind ein selbstorganisiertes Menschen-Netzwerk der Deutschen Telekom mit folgender Mission: ,Wir als Telekom Botschafter begeistern mit magenta Werkstolz unsere Kunden und Kollegen. Wir helfen, motivieren und geben der Telekom ein persönliches Gesicht.‘ Die Community hat sich aus einer Grassroot-Initiative entwickelt und bringt den Alltag bei der Telekom in die Öffentlichkeit. Die Initiative ist eine deutschlandweit bekannte und etablierte Größe – dokumentiert durch zahlreiche Auszeichnungen.“ (zitiert nach: Winfried Ebner, Blog.Telekom, 01.05.2021)

Die Telekom-Botschafter bilden zudem ein sehr gutes Beispiel dafür, wie das betreffende Unternehmen sehr positiv und unterstützend reagiert. Nicht immer und in allen Unternehmen ist dies gleichermaßen der Fall. Dabei finde ich es persönlich unverständlich, warum manche Arbeitgeber empfindlich auf begeisterte Arbeitnehmer reagieren, die das deutlich zeigen wollen. Hier herrschen manchmal womöglich beiderseits Missverständnisse vor, die zu klären sich lohnen würde.

Aber natürlich kann nicht jede*r Mitarbeitende ohne offizielle Beauftragung und erst recht nicht in der Arbeitszeit irgendein Programm starten. So oder so funktionieren solche Programme am besten, wenn möglichst viele Beteiligte an einem Strang ziehen. Insofern würde ich immer eher raten, sich mit Kommunikationsverantwortlichen und Unternehmensleitung zusammenzusetzen und hier erst einmal die Möglichkeiten auszuloten. Vielleicht gibt es ja längst Überlegungen zu einem solchen Programm.

Wen kann ich mir als Beispiel nehmen?

Listen mit sehr sichtbaren Corporate Influencern gibt es mittlerweile sehr viele, oft beziehen sie sich aber exklusiv auf Menschen aus der Unternehmensleitung. Aber schauen Sie sich doch erst einmal im Kreis der eigenen Kolleginnen und Kollegen sowie in Ihrem Netzwerk um. Beobachten Sie für sich, was bei Ihnen selbst gut ankommt und was bei Ihnen eher Ablehnung erzeugt – und vor allem, warum. Sie sollen natürlich nicht kopieren. Aber um die eigene Präsenz auf- und auszubauen, lohnt es sich, genau hinzuschauen. Bedenken Sie dabei allerdings bitte auch, dass Sie von außen nur einen Bruchteil dessen sehen, was die Aktivitäten und das Netzwerken anderer Menschen tatsächlich erfolgreich macht.

In dieser Case Study, die ich zusammen mit meinem Kunden Schwabe Austria veröffentlicht habe, finden Sie verschiedene persönliche Vorgehensweisen, komplett mit den dazugehörigen KPI.

Sehr hilfreich kann es sein, sich einen „Buddy“ zu suchen, eine Sparringspartnerin oder einen Sparringspartner, um sich auszutauschen, Feedback zu geben und zu nehmen und in Zweifelsfällen um Rat zu fragen.

Denn letztlich muss jeder und jede den ganz eigenen Weg finden – ob nun ganz in eigener Initiative oder als Teil einer größeren Gruppe in einem Programm.

 
Dr. Kerstin Hoffmann