Was leistet Twitter in der B2B-Kommunikation?

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Fakten, Vorurteile, Tipps, Fragen und Antworten zum Mikroblogging

Der Mikroblogging-Dienst Twitter spielt heute in den Kommunikationsstrategien vieler Unternehmen eine große Rolle. Währenddessen höre ich nach wie vor von vielen Unternehmern und Marketingleuten stereotyp: „Twitter für B2B? Das funktioniert doch nicht!“ Oder: „Twitter? Das ist doch dieser Kurznachrichtendienst, auf dem sich Stars und Sternchen produzieren!“ Twitter ist nun wirklich nicht neu, aber etliche Unternehmen vollziehen erstaunlicherweise erst jetzt den längst fälligen Schritt in soziale Netzwerke oder stehen immer noch davor. Für alle diejenigen, die jetzt erst einsteigen oder immer noch nicht so genau wissen, was Twitter nun eigentlich ist, auch noch einmal mit ausführlichen Grundlagen. Wir betrachten die vielfältigen Möglichkeiten, die Twitter für die Unternehmenskommunikation bietet. Wir befassen uns mit besonderen Anforderungenund Risiken. Abschließend finden Sie einige typische Fragen zum Thema Twitter und meine Antworten dazu.

Social-Media-Strategien sind immer Teil der gesamten Kommunikationsstrategie, und die Teilstrategien für einzelne Medien sind mit den anderen vernetzt. Doch mit seiner besonderen Form von nur 280 Zeichen und der Schnelligkeit des Nachrichtenstroms stellt Twitter einige ganz spezielle Anforderungen und bietet andererseits Möglichkeiten, die in dieser Form kein anderer Kanal verwirklichen kann.

Was ist Twitter?

Twitter gehört zu den bekanntesten und am besten eingeführten Angeboten im Social Web. Für Einsteiger kurz dargestellt und in einigen wesentlichen Funktionen beschrieben:

Twitter ist eine Mikroblogging-Plattform. Nutzer, die ein Konto angelegt haben, können von diesem aus kurze Nachrichten von bis zu 280 Zeichen versenden und darin auch beispielsweise zu Websites verlinken. Es ist ebenfalls möglich, Fotos hochzuladen. Die Nachrichten eines anderen erhält derjenige, der ihm folgt. Alle Nachrichten derjenigen, denen Sie Ihrerseits folgen, sehen Sie in Ihrem Twitter-Feed. Meldungen von anderen werden als „Retweet“ mit dem Nutzernamen gekennzeichnet. Antworten sind öffentlich möglich per „Reply“ an den anderen Nutzernamen. Private Nachrichten sind nur zwischen Twitterern möglich, die einander gegenseitig folgen.

Funktionen wie etwa Twitter-Listen ermöglichen den selektiven Empfang der Nachrichten bestimmter User oder zu bestimmten Themen. Per Hashtag – ein Begriff, der durch ein #-Zeichen gekennzeichnet ist – können Nutzer zu bestimmten Themen oder Veranstaltungen Tweets senden und damit anderen ermöglichen, diese Nachrichten gezielt zu empfangen. Die eingebaute Suche, die es auch bei vielen Drittanbietern gibt, ermöglicht es, die Gesamtheit aller Tweets nach Wörtern und Hashtags ebenso wie nach Nutzern zu durchsuchen.

Twitter erzeugt hochwertige Links und ist ein schnelles Medium für Austausch und Verbreitung von Informationen. Das funktioniert sowohl über die Twitter-Seite beziehungsweise auf mobilen Geräten die offizielle Twitter-App wie über Drittanbieter wie Hootsuite oder TweetDeck. Viele weitere Angebote und Applikationen lassen sich für Twitter autorisieren. Twitter-Nachrichten lassen sich in Webseiten oder Blogs einbinden. Andere Anbieter bieten eine automatisierte Einbindung über den Benutzernamen an. Der Einsatz von Twitter ist so vielseitig wie das Spektrum der denkbaren Möglichkeiten und geht weit über den Bereich der Unternehmenskommunikation hinaus. Hier wollen wir es jedoch vornehmlich unter dem Marketing- und PR-Aspekt betrachten.

 

Monitoring, Recherche und Marktforschung betreiben

Wer an Social Media in der Unternehmenskommunikation denkt, der denkt selbst heute oft noch als Erstes daran, was er oder sie selbst aussenden kann. Diese Denkweise ist vielfach ein Überbleibsel aus der alten One-to-Many-Kommunikation. Im Social Web geht es aber mindestens ebenso sehr darum zuzuhören. In den meisten Unternehmen werden die Möglichkeiten, die Twitter für Monitoring, Recherche und Marktforschung bietet, nicht annähernd ausgeschöpft. Dabei liefert Twitter, richtig eingesetzt, Antworten auf Fragen wie: Wie sprechen andere über unser Unternehmen? Wie denkt der Wettbewerb? Was brauchen unsere Zielgruppen? Welche Neuigkeiten gibt es zu branchenrelevanten Themen und Stichworten? Auch die Recherche zu grundlegenden ebenso wie zu aktuellen Themen ist über Twitter leicht möglich.

Wissen sammeln

Ein entsprechend definierter und genutzter Twitter-Account kann im Team dazu dienen, gemeinsam beispielsweise alle Links auf Artikel und Webseiten zu einem bestimmten Thema zu sammeln. Positiver Nebeneffekt: Wer das auf eine Weise tut, die möglichst vielen Followern nützt, tut zudem etwas für die eigene Reputation und Sichtbarkeit. Stichwort: Content Curation.

Forschung und Entwicklung vorantreiben

Neue Produkte zusammen mit der „Crowd“entwickeln; schnell auf geänderte Kundenbedürfnisse reagieren; Meinungen zu Neuentwicklungen einholen, ehe ein Produkt in Serie geht: Das deutet nur an, welche Möglichkeiten Twitter für Forschung und Entwicklung bietet. Auch hier muss natürlich eine eigene Kanalstrategie für den Twitter-Account entworfen und konsequent verfolgt werden.

Geschichten erzählen

In jeweils maximal 280 Zeichen – oder über mehrere Tweets verteilt – eine Geschichte erzählen, die etwas mit dem Unternehmen zu tun hat? Gar nicht so einfach! Es hat aber auch nie jemand behauptet, dass professionelle Kommunikation einfach wäre. Mikroblogging ist eine ganz eigene Form. In nur 280 Zeichen Dinge auf den Punkt zu bringen muss geübt werden, selbst für Kommunikationsprofis. Daher ist es so entscheidend, wie die eigene Twitter-Strategie aussieht, ob sie eher auf Unterhaltung oder auf Information zielt – oder ob sie mehrere verschiedene Erzählstrategien vereint. Denn Empfängernutzen lässt sich eben auch anders generieren als nur mit hochwertigen Verlinkungen oder Hinweisen auf eigene und fremde Veröffentlichungen anderswo.

Empfehlungen unterstützen

Im Zentrum jeglicher Kommunikationsstrategie sollten heute fast immer eigene hochwertige Inhalte stehen, die das Unternehmen auf einer eigenen Plattform veröffentlicht. Doch auch für Produkte oder Dienstleistungen gilt: Es geht nicht nur darum, selbst Tweets mit Links auszusenden. Wer es anderen, etwa über entsprechende Sharing Buttons, leicht macht, Inhalte weiterzuteilen, braucht selbst noch gar nicht viele Follower, um auf Twitter erfolgreich zu sein. Denn mehr als die eigene Aussendung gilt: Sichtbar wird, was viele Menschen teilen und weiterempfehlen.

Vernetzung fördern und Dialoge führen

In und zwischen Unternehmen kommunizieren Menschen miteinander. Das gilt auch für den B2B-Bereich, und hier liegt die große Stärke der sozialen Kommunikation im Web. Über entsprechende Suchen und Recherchen die relevanten Meinungsbildner im eigenen Umfeld und darüber hinaus finden: Das ist der erste Schritt für eine erfolgreiche Vernetzung via Twitter. Vernetzung geht jedoch immer in beide Richtungen. Wer erreichen will, dass ihm andere zurück-folgen, muss entsprechend Hochwertiges bieten. Beispielsweise, indem er präzise definiert, welchen Nutzen die eigenen Tweets bieten und dieses „Kanalversprechen“ auch konsequent umsetzt. So entsteht ein echter Austausch, der allen nützt. Das setzt aber voraus, dass Sie Ihren Account nachhaltig aufbauen, mit echten Followern, statt mit Follow-Aktionen, die nur Zahlen bringen sollen. Follow-Unfollow-Spielchen – also zuerst vielen folgen, dann wieder entfolgen, um Ihre Zahlen zu „schönen“ – sind alles andere als zielführend.

Reputation aufbauen und Sichtbarkeit erzeugen

Twitter ist ein sehr geeignetes Medium in einer Gesamtstrategie, die etwa dazu dient, eine Expertenposition aufzubauen, Sichtbarkeit für eigene Veröffentlichungen zu erzeugen und auf die Webseiten oder das Corporate Blog eines Unternehmens zu lenken. Posten Sie jedoch bitte nicht nur Links zu eigenen Angeboten. Etablieren Sie Ihren Twitter-Kanal als Wissenssammlung zu Ihrem Spezialgebiet. Richtwert: Zehn Prozent Links zu eigenen Seiten, 90 Prozent Links von anderen. Dann erhöht sich auch der Traffic auf Ihren eigenen Seiten wie von selbst. Vergeblich ist dagegen jeder schlecht getarnte Versuch, mit Ihren Nachrichten, andere zu manipulieren oder kommerzielle Absichten zu verschleiern. Überlegen Sie sich daher gut, was die Ausrichtung Ihrer Twitter-Botschaften ist und welche Ziele Sie damit erreichen wollen, vor allem aber, was diese Ihrem Netzwerk bringen.

Krisen-PR unterstützen

Ein gut eingeführter Twitter-Kanal kann in der Krisen-PR unterstützen, etwa indem er aktuelle Informationen verbreitet. Das funktioniert aber nur, wenn es vorher durchdacht und geplant wurde. Hier ist jedoch eine differenzierte Betrachtung innerhalb des Konzeptes für Krisen-PR erforderlich.

Kundendienst anbieten

Eine sehr spezialisierte Form der Twitter-Nutzung ist mittlerweile von etlichen Unternehmen etabliert, beispielsweise von der Telekom oder der Deutschen Bahn. Der entsprechend gekennzeichnete Twitter-Account dient nur dazu, Anfragen zu beantworten, schnelle Auskünfte zu liefern und in Einzelfällen zu helfen. Auch im B2B-Bereich kann das funktionieren, man muss es aber besonders genau abwägen, ob es für das betreffende Unternehmen sinnvoll ist. Grundsätzlich können das auch mittelständische Unternehmen verwirklichen, aber nur dann, wenn sie entsprechend kürzeste Reaktionszeiten und eine wirklich durchgehende Betreuung gewährleisten.

Das kann per Definition auch zu normalen Geschäftszeiten sein und muss sich nicht auf die Nacht erstrecken. Aber selbst dann erfordert es erhebliche Ressourcen und gute Planung, damit der Schuss nicht nach hinten losgeht. Klar muss hier auch sein: Es wird höchstwahrscheinlich – je nach Branche und Angebot – Angriffe, Unmutsäußerungen, Beleidigungen und unsachliche Antworten geben. Das lässt sich nur aushalten, wenn man ein gutes Konzept hat und die Unternehmensleitung versteht, dass dies der Normalfall ist und keine Kommunikationskrise.

Fragen und Antworten

„Was ist zu tun, ehe wir mit dem Twittern für unser Unternehmen starten?“

  • Informieren Sie sich genau über die Funktionen und Möglichkeiten von Twitter.
  • Entwickeln Sie eine Teil-Strategie innerhalb Ihrer Kommunikationsstrategie.
  • Erarbeiten Sie ein Kanalversprechen: Welchen Zweck verfolgen Sie mit Ihrem Twitter-Account? Welchen Nutzen bieten Sie Ihrem Netzwerk? Welche Formen wollen Sie verwirklichen, welchen Stil pflegen?
  • Formulieren Sie die „Twitter-Bio“ für diesen Account.
  • Legen Sie einen Account an.
  • Nutzen Sie Twitter zunächst mehr dazu, mitzulesen und zu beobachten, wie andere vorgehen.
  • Fragen Sie sich bei jedem Tweet, welchen Nutzen er bietet und wie er in Ihr Kanalversprechen passt.
  • Beachten Sie die Tipps aus den vorigen Punkten dieses Artikels.

„Wie wird jemand auf unseren Twitter-Account aufmerksam?“

  • Indem Sie ihm folgen.
  • Indem Sie seine Tweets retweeten oder ihm antworten.
  • Indem jemand, dem er bereits folgt, Sie erwähnt oder Ihre Nachricht retweetet.
  • Über die Einbindung von Twitter beispielsweise auf Ihren eigenen Seiten; als Icon/Link oder als dynamisches Twitter-Feld.

„Was wird jemand tun, der auf uns aufmerksam wird?“

Er/sie schaut sich wahrscheinlich Ihr Foto, Ihr Twitter-Profil (mit Kurzbiografie) an, und wenn ihm das interessant scheint, noch die letzten drei bis fünf Nachrichten.Wenn er überzeugt ist, folgt er Ihnen. Er kann aber jederzeit wieder „entfolgen“, wenn ihm nicht mehr gefällt, was Sie schreiben.

„Sollen wir das Twittern automatisieren?“

Angebote wie IFTTT ermöglichen es, ein- und dieselbe Botschaft automatisch über viele verschiedene Kanäle zu senden. Mit Hootsuite oder TweetDeck kann man Tweets zu einem zukünftigen Termin senden lassen. Je nach Kommunikations- und Social-Media-Strategie kann man bestimmte Abläufe unterstützend automatisieren. Auf keinen Fall sollte dies jedoch der Regelfall sein. Twitter ist ein Dialogmedium, und Sie müssen auf andere reagieren. Wer nur aussendet, verschenkt einen größten Teil des Potentials und wird mit Social Media nie wirklich erfolgreich sein. Angebote, die dieselbe Botschaft über mehrere Plattformen verteilen, sind zudem mit Vorsicht zu genießen, denn jedes soziale Netzwerk hat seine speziellen Formen und Besonderheiten.

„Kann man über Twitter Verkaufsförderung betreiben?“

Social Media sind klassisch eher selten Medien, um direkte Verkäufe zu erzielen. In Ausnahmefällen und bei sehr beliebten Consumermarken oder bestimmten Produkten könnte das klappen, wenn das Kanalversprechen so definiert ist. Vielleicht finden sich Follower, die immer über aktuelle Sonderangebote aus Ihrem Unternehmen informiert werden wollen? Auch wenn jemand Ihr Produkt aktiv empfiehlt, kann das neue Kunden anziehen. Grundsätzlich geht es aber eher um komplexere Vernetzungen. Mittelbar sind Social Media aber auf jeden Fall geeignet, die Kommunikationsstrategie zu unterstützen, die zu mehr Umsatz und mehr Gewinn führt.

„Sind Twitter-Nachrichten nicht ziemlich flüchtig?“

Ja, das sind sie. Der Nachrichtenstrom rauscht schnell vorbei, und Sie können keinesfalls davon ausgehen, dass alle Ihre Empfänger auch alle Nachrichten sehen. Daher ist es immer wieder ein Balanceakt, ob und wie oft beispielsweise eigene Links wiederholt gesendet werden sollten. Es ist aber zugleich ein Grund mehr, darüber nachzudenken, wie jeder einzelne Tweet besonders interessant gestaltet werden kann. Denn was sich vielfach und über mehrere Accounts verbreitet, hat eine höhere Chance wahrgenommen zu werden.

„Welche Risiken könnte das Twittern für unser Unternehmen haben?“

Das größte Risiko besteht darin, dass Sie Ihr Kanalversprechen nicht einhalten und sich so den Unmut Ihrer Community zuziehen. Darüber hinaus gibt es natürlich rechtliche Risiken, etwa in Bezug auf Datenschutz oder Urheberrecht. Das gilt aber insgesamt für die Kommunikation im Social Web. Daher sollten Sie sich juristisch beraten lassen. Gefährlich wird es auch immer dann, wenn Personen, die einen Twitter-Account betreuen, persönlich angegriffen fühlen und entsprechend reagieren oder sich selbst im Ton vergreifen.

Dr. Kerstin Hoffmann