Studie: Welchen Schaden richten Shitstorms wirklich an – und wie können Marken sich schützen?
Interview mit den Autoren einer aktuellen wissenschaftlichen Untersuchung
Welche Macht haben Konsumenten, und wie gehen Marken damit um? Wie wird ein Shitstorm ausgelöst? Lässt er sich vermeiden? Welche Folgen drohen? Erfahrungen dazu gibt es viele. Ich habe im vorigen Beitrag dazu ausführlich aus meiner Beratungspraxis berichtet. Doch wirklich fundierte wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Shitstorm (oder, wie er auf Englisch genannt wird: Collaborative Brand Attack) sind nach wie vor rar gesät. Über einen persönlichen Kontakt auf Facebook erfuhr ich von einer erst kürzlich erschienenen gemeinsamen Studie von The University of Michigan-Dearborn, Otto Beisheim School of Management, Vallendar, und Otto-Friedrich-Universität Bamberg (Stand: Oktober 2016; siehe auch Hinweis am Ende dieses Beitrags). Im Interview beantworten mir die Autor:innen der Studie, Björn Ivens, Nadine Kammerlander und Philipp Rauschnabel, meine brennendsten Fragen.
Frage: Es gibt bisher nur sehr wenige wissenschaftlich fundierte Studien zum Thema Kommunikationskrisen im Social Web. Belastbare Zahlen darüber, ob und in welchem Ausmaß ein sogenannter Shitstorm bei Unternehmen wirklichen Schaden anrichtet, gibt es kaum. Zu welchem Ergebnis sind Sie gelangt? Kann ein Shitstorm eine Marke wirtschaftlich gefährden?
Nadine Kammerlander: Shitstorms können einen negativen Einfluss auf ein Unternehmen und eine Marke haben. Die Reputation kann beeinträchtigt werden, Kunden wenden sich ab und anderen Marken zu. Erschwerend kommt hinzu, dass der Inhalt des Shitstorms oft über lange Zeit im Internet archiviert bleibt. Ob das zu einer schlimmen wirtschaftlichen Krise führen kann? Das können wir nicht und das kann niemand sagen. Denn dafür müsste man die Zeit zurückdrehen und das Unternehmen und seine Entwicklung ohne den Shitstorm betrachten und vergleichen. Das geht natürlich nicht. Die Beispiele aus unserer Studie zeigen aber: Unternehmen tun gut daran, Shitstorms zu verstehen, möglichst zu vermeiden und im Bedarfsfall klug zu reagieren.
Frage: Warum haben Sie sich dieses Thema vorgenommen, wie genau haben Sie die Studie durchgeführt, und was war das erkenntnisleitende Interesse, mit dem Sie angetreten sind?
Philipp A. Rauschnabel: Als wir vor knapp fünf Jahren mit diesem Forschungsprojekt begannen, war das Thema unter anderem durch Zeitungsberichte in aller Munde. Ich selbst habe bei meinen Vorträgen, Vorlesungen und in Beratungsprojekten oft anschauliche Beispiele von Shitstorms verwendet. Umso verwunderter war ich, als ich feststellte, dass wir zwar ausreichend reißerische Beispiele hatten, aber eigentlich nichts über die „Gesetze“ und Mechanismen dieser Shitstorms wussten. Wie bei Wissenschaftlern so üblich, wurden wir dann neugierig und setzten ein Projekt auf. Unser Interesse war, Shitstorms in ihren Auslösern, Verstärkern und Verläufen möglichst umfassend zu verstehen.
Frage: „Shitstorm” ist offenbar ein spezifisch deutscher Begriff, in der Studie sprechen Sie nur von der „Collaborative Brand Attack“. Wird das Substantiv im anglophonen Raum einfach nicht benutzt, oder ist der Shitstorm generell ein deutsches Phänomen? Haben deutsche Marken mehr Angst davor als amerikanische Firmen?
Nadine Kammerlander: Shitstorms können genauso auch in den USA entstehen, und wir sind in unserer Recherche auch auf einige Beispiele dazu gestoßen. Ob das Phänomen in Europa mehr oder weniger vorkommt als in USA, ist schwierig zu quantifizieren. Vermutlich hängt es auch von der Kultur ab, wieviel „Freude“ oder Motivation die Nutzer verspüren, sich selbst an solchen Shitstorms zu beteiligen. Welche Macht der Verbraucher hat, ist in unterschiedlichen Teilen der Welt natürlich verschieden. Fakt ist aber, dass wir in Deutschland viele starke Marken haben – es ist nur verständlich, dass die entsprechenden Unternehmen alles dafür tun wollen, deren Wert nicht zu beschädigen.
Der Hauptgrund für die Kreierung des Begriffs Collaborative Brand Attacks (kurz: CBAs) war, dass der Begriff „Shitstorm“ im englischen Raum eher verpönt ist. Warum das so ist, kann man leicht verstehen, wenn man sich vorstellt, die deutsche Übersetzung des Begriffs in Texten lesen zu müssen.
Frage: Kann man verschiedene Typen solcher „Marken-Attacken” unterscheiden, oder verlaufen diese im Wesentlichen stets nach einem ähnlichen Schema?
Björn Ivens: Wir haben drei Gruppen von Auslösern gefunden und eine Reihe an verstärkenden Faktoren identifiziert. Erstens unethisches Verhalten einer Organisation, zweitens Probleme im Kerngeschäft und drittens Fehler in der Kommunikation. Diese Auslöser führen nicht zwangsläufig zu einem Shitstorm. Wenn ein solches Problem allerdings zusammen mit einem der verstärkenden Faktoren auftritt – beispielsweise der Reaktion des Unternehmens in einer arroganten oder machtausübenden Art, was von uns als Robin-Hood-Effekt bezeichnet wird – dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich das ganze zu einem Shitstorm entwickelt. Meist nimmt im Laufe des Shitstorms die Menge an Kommentaren zu und der Ton wird rauer – oft auch aggressiv und beleidigend. Wie lange ein Shitstorm dauert, hängt vor allem von der Reaktion des Unternehmens ab.
Frage: Gibt es (unternehmensinterne oder externe) Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit einer Collaborative Brand Attack erhöhen oder mindern? Haben Sie besonders gute oder besonders schlechte Beispiele gefunden?
Nadine Kammerlander: Klar tragen manche Unternehmen ein erhöhtes Risiko für einen Shitstorm. So sind die von uns gefundenen Beispiele überwiegend B2C-Unternehmen. Ob die Marke sehr bekannt ist oder das Unternehmen groß oder klein ist spielt jedoch kaum eine Rolle. Wichtig ist es, wie das Unternehmen auf mögliche „Fehler“ – die jedem Unternehmen passieren können – reagiert.
Philipp A. Rauschnabel: Wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter auf allen Ebenen schulen (d.h. auch in den untersten Hierarchieebenen), wenn sie durch ein gutes Social Media Monitoring immer wissen, was wo über sie gesprochen wird und wenn die Social Media Verantworlichen wissen, wie sie in Krisensituationen zu kommunizieren haben, kann man das Risiko für einen Shitstrom deutlich senken. Das bedeutet aber auch, dass Unternehmen Ressourcen dafür aufbringen müssen. Beispielsweise müssen Mitarbeiter auch am Wochenende oder in den Abendstunden die Kanäle auf dem Radar haben, da sich Shitstorms innerhalb kürzester Zeit entwickeln können.
Nadine Kammerlander: Was die Reaktion des Unternehmens bewirken kann, zeigt sich am Beispiel des „Trolling“ bei den Unternehmen Otto Versandhandel und Henkel (Marke Pril). Beide Unternehmen hatten auf Facebook einen Wettbewerb ausgeschrieben, bei beiden Wettbewerben kam es zu spaßhaften, nicht ernst gemeinten Einsendungen, die jedoch eine hohe Anzahl an Zuschauerstimmen erhielten. Henkel veränderte während des Wettbewerbs die Bedingungen, bereinigte die Abstimmungszahlen und reagierte verspätet beziehungsweise durch Löschen auf Kommentare. Das Ergebnis war ein immer stärker werdender Shitstorm. Bei Otto reagierte man anders: Man ließ sich auf das Spiel ein, kommunizierte mit den Usern auf Augenhöhe. Der Shitstorm wurde verhindert, und das Unternehmen gewann Sympathiepunkte.
Ein weiteres illustratives Beispiel ist Domino‘s Pizza. Während hier zunächst die klassischen Fehler schlechter Kommunikation gemacht wurden, lernten die Verantwortlichen während des Shitstorms. Am Ende brachten sie einen konstruktiven Dialog auf Augenhöhe mit den Kunden zustande und konnten so sogar noch profitieren.
Frage: Gerade für deutsche Unternehmen stellt es ja häufig immer noch eine regelrecht schmerzliche Erkenntnis dar, dass es eine kontrollierte, PR-konforme Außendarstellung gar nicht mehr geben kann. Kontrolle ist in Zeiten des Social Web sowieso eine Illusion. Kann eine Marke sich präventiv vor einer solchen Attacke schützen?
Björn Ivens: Garantiert vermeiden lässt sich kein Shitstorm! Auch deutsche Unternehmen müssen lernen, dass absolute Kontrolle in Zeiten des Internets und der Social Media nicht mehr möglich ist. Durch konstantes Beobachten und schnelles Reagieren lassen sich aber vermutlich viele Shitstorms vermeiden.
Frage: Social-Media-Guidelines in Unternehmen sind ja oft den Speicherplatz nicht wert, auf dem sie abgelegt wurden, weil sowieso fast niemand in dieses eher theoretische, statische Regelwerk hineinschaut oder es gar verinnerlicht. Haben Sie Erkenntnisse darüber gewonnen, wie es gelingen kann, Mitarbeiter mitzunehmen?
Philipp A. Rauschnabel: Wir haben zu diesem Thema schon vor einigen Jahren eine Studie publiziert, in welcher wir Guidelines untersucht haben. Das Problem ist, dass die Guidelines meist nur entwickelt werden, damit man sie eben hat. Um zu wirken, müssen sie gelebt werden und präsent sein. Unternehmen wie Tchibo oder KPMG haben das in Form von Videos ganz gut gelöst. Eine PDF-Datei auf dem Intranet alleine ist zweifelsfrei nicht sehr effektiv.
Wichtig ist es auch, nicht nur die Mitarbeiter im Management zu schulen. Vielmehr sind es häufig auch Mitarbeiter in unteren Hierarchieebenen, beispielsweise Aushilksfräfte, die durch falsche Social Media Nutzung – oft ganz unbewusst – einer Marke schaden. Sensibilisierungsworkshops auf allen Ebenen können hilfreich sein.
Frage: Oft wird gesagt, dass die erste Reaktion einer Marke über den weiteren Verlauf eines Shitstorms. Ist das wirklich so? Gibt es einen turning point, einen Wendepunkt, an dem sich der gesamte weitere Verlauf entscheidet? Oder kann man bei einer solchen Attacke das Ruder an verschiedenen Punkten immer noch herumreißen?
Nadine Kammerlander: Je früher man reagiert, desto eher schafft man es, Schaden zu vermeiden. Je länger man wartet, desto stärker ist der Shitstorm und desto schwieriger ist es, effektiv einzugreifen. Unsere Erkenntnisse deuten aber nicht darauf hin, dass es einen speziellen turning point gibt. In der Tat ist es besser, spät einzugreifen als nie. Nur muss man natürlich damit rechnen, dass bei einem späteren Eingreifzeitpunkt bereits mehr negativer Content über das Unternehmen oder die Marke im Internet verfügbar ist.
Frage: Sie sagen in Ihrer Studie auch, dass eine Attacke auf eine Marke sogar für mehr positive Publicity sorgen kann. Mit der richtigen Reaktion könne “ein Unternehmen den Spieß dann auch umdrehen und die anfangs aufgebrachte Marke zu aktiven Freunden machen”. Wie kann das gelingen? Wie sieht eine solche “richtige Reaktion” aus? Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Philipp A. Rauschnabel: Domino’s Pizza hatte auf die Ekelvideos sehr gut reagiert. Der CEO hat sich umgehend persönlich dafür entschuldigt und die sofortige Entlassung der verantwortlichen Mitarbeiter angekündigt. Zudem hat er versichert, alle Filialen entsprechend zu untersuchen, damit so etwas nie wieder vorkommt. Als die Masse an Usern diese Entschuldigung positiv aufgenommen hatte, gründete Domino’s Pizza eigene Social Media Plattformen, in welchen Nutzer beispielsweise eigene Pizzen kreieren konnten.
Frage: Sind Shitstorms vor allem ein Phänomen, das Consumermarken betrifft, oder haben sie auch für den B2B-Bereich eine Bedeutung? Gibt es signifikante Unterschiede zwischen B2B und B2C?
Björn Ivens: Wir haben überwiegend, aber nicht nur, B2C-Shitstorms beobachtet. Um Unterschiede zu generalisieren gibt es bis dato noch zu wenige B2B-Shitstorms. Wir haben in unserer Untersuchung auch noch keine Employer-Branding-Shitstorms gefunden. Wir glauben aber, dass diese Form von Protest durchaus auch mit der Wirkung eines Streiks vergleichbar sein könnte.
Frage: Ausblick – werden “Shitstorms” beziehungsweise “Collaborative Brand Attacks” in Zukunft aufgrund der immer größeren Informationsmengen, denen wir ausgesetzt sind, Ihrer Meinung nach eher an Bedeutung verlieren? Oder wird ihre Zahl zunehmen und werden sie an Bedeutung für das Konsumentenverhalten gewinnen, weil immer mehr Menschen digital unterwegs sind?
Nadine Kammerlander: Das ist schwierig zu sagen und kommt auch auf die Definition an. Häufig werden kleinere Brandherde auf Facebookseiten schon als Shitstorm bezeichnet. Es kann natürlich sein, dass das ganze an Relevanz verliert, wenn es zu oft vorkommt und Menschen sich für die Teilnahme nicht mehr motivieren können. Wenn man sich die Begeisterung ansieht, mit denen Social Media Nutzer diskutieren, so erscheint diese Vorhersage aber nicht sehr wahrscheinlich.
Viel wahrscheinlicher ist es hingegen, dass sich beispielsweise die Plattformen ändern, auf denen Shitstorms entstehen, oder dass sich die Medien noch stärker zu Videos verschieben. Auch die Erwartung der Nutzer, wie Unternehmen mit Shitstorms umzugehen haben, kann sich ändern. Denkbar ist beispielsweise, dass Nutzer ein noch schnelleres und noch professionelleres Antworten erwarten.
Aktualisierter Hinweis: Dieses Interview spiegelt einen Stand vom Oktober 2016. Die Studie war temporär zu Studienzwecken verfügbar, ist aber mittlerweise nicht mehr online.
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Gutes Interview!
Ich finde die letzte Antwort sehr wichtig. Inzwischen scheint es oftmals so, als ob
– Shitstorms in erster Linie als Getrolle aufgefasst wird und in der Sache an sich kein nachvollziehbarer Kritikcharakter gesehen wird und
– als Shitstorm schon bezeichnet wird, wenn sich drei User öffentlich bei facebook/Twitter… über ein Produkt oder Unternehmen beschweren.
Das erste ist meiner Ansicht nach nicht der Fall (wobei ich die Ing-Diba-Geschichte aus User-/Konsumentensicht sehr kritisch sehe) und entwertet die Konsumenten in ihren oftmals berechtigten Interessen als vollständige Menschen und nicht nur Bittsteller wahrgenommen zu werden.
Das zweitgenannte ist ebenso Unsinn: wenn drei Leute sich beim Bahnschalter über nicht funktionierende Toiletten beschweren, würde auch niemand auf die Idee kommen, dies als Shitstorm (wie passend) zu bezeichnen.
Vor kurzem gab es auch ein unglückliches Verhalten von der Bahn bei Twitter, das gefählich hätte sein können und nur durch Glück nicht wurde: ein blöder Scherz gegenüber einem zahlenden Kunden.
Vielleicht ist ein CBA auch eine Folge davon, dass der Gegenüber mit geschlossenem Visier kommuniziert. Ich könnte mir vostellen, dass diese seltener wären, wenn der/die Gegenüber einen Namen hätte und nicht nur ein Kürzel.
Eine leise Kritik:
Ich muss mich bei diesen Interviews und ähnlichen Artikeln zu diesem Thema immer wieder wundern und in der Folge ärgern: Warum werden Unternehmen nicht direkt angefragt, wie sie damit umgehen? Klar ist es zeitaufwendig. Klar hagelt es auch Absagen. Aber es kann sich lohnen nachzuhaken. Viele würden sich freuen darüber Auskunft zu geben.
Meistens basiert die Quintessenz dieser Beiträge daher oft in Vermutungen wie es sein müsste oder sein könnte. Nach Lehrbuch quasi. Mit der Realität hat das Ganze dann oft wenig zu tun.
Ich habe einige Zeit als Online-Reputation Manager in einem großen deutschen Unternehmen gearbeitet. Shitstorms waren an der Tagesordnung. Nur, dem Unternehmen hat es nicht geschadet. Warum? Weil deren Kunden sich nicht im Netz befinden. Der Konsument bekommt so einen Shitstorm gar nicht mit. Er hat auch gar nicht die Zeit dazu. An der Masse geht so etwas vorbei. Die da so laut im Netz schreien, sind meistens Trolle und Menschen die bei jedem Shitstorm dabei sind. Egal um welches Thema und um welches Unternehmen es sich handelt. Die freuen sich wenn es knallt. Der betroffene Kunde, der sich meistens zu Recht aufregt, geht in dem Ganzen eher unter.
Die einzigen die darunter leiden, sind die Mitarbeiter dieser Firmen. Wer geht schon gerne täglich in eine Firma, die im Netz permanent angegriffen wird? Die wenigsten. Daher dient die Aktivierung einer Social Media Redaktion oft nur als Zeichen an die eigenen Mitarbeiter: Wir tun jetzt etwas gegen den Talk im Netz. Wir machen das Internet wieder sauber. Ihr könnt bald wieder stolz auf eure Firma sein.
Was ich damit sagen will: Shitstorms werden ertragen. Für viele gehören sie sogar dazu. Oft schaden sie auch nicht. Vor allem ändert aber deswegen nicht jeder gleich sein Geschäftsprinzip.
Ansonsten ein lesenswertes Interview auf einer sehr guten Site. Gerne wieder.
Lieber Klaus,
Danke für dein Feedback.
Bei Fallstudienanalysen, wie auch bei unserer, versucht man jegliche Art von Informationen zu bekommen. Dazu gehören, wenn möglich, auch Gespräche mit den Beteiligten. In der Tat ist es oft schwierig bis unmöglich, an diese Daten ranzukommen. Sich nur auf eine einzige Datenquelle – bspw. nur Gespräche mit Beteiligten – zu verlassen oder sogar nur ganz explizit danach zu fragen „Wie ist der Shitstorm entstanden?“, reicht leider nicht aus, um ein Phänomen vollständig und möglichst objektiv zu erfassen.
Zudem ist ein Kernproblem, dass Unternehmen Dinge wie den Schaden, Impact usw. nicht valide abschätzen können. Warum? Wie Nadine Kammerlander im Interview sagte – es fehlt der Referenzwert. Man müsste seine Finanzperformance ohne Shitstorm kennen um zu wissen, ob diese gleich, niedriger oder höher wäre. Die hat man aber leider nicht und kann sie maximal schätzen, bspw. indem man einen konstanten Verlauf annimmt, was aber auch nicht valide ist. Das Problem gab es bspw. bei United Breaks Guitars, wo der Aktienkurs schon vor dem Video sank und ein zusaetzlicher „Dip“ während dem Shitstorm dazukam. Also ist es schwierig zu sagen, ob dieser „Extra-Dip“ von dem Video oder von dem generellen Kursverfall bzw. dessen Schwankungen stammt.
Den zweiten Punkt, dass es viele Attacker nur Social Media User, aber keine Kunden, sind, ist durchaus valide. Das schreiben wir auch so in der Studie. Natürlich wirkt sich das – wie wir schreiben – auch auf die Reputation aus, was die Employer Brand nicht ausschließt. Das ist allerdings kein spezifisches Shitstorm-Phänomen, sondern gilt auch für klassische Markenkrisen. Siehe pdf download oben. Spezifisiche Demographika (oder idealerweise auch Psychigraphika) zu „Shitstoermern“ gibt es m.W.n. noch nicht. Eine Studie zu Consumer-Brand Sabotage generell wurde erst kürzlich publiziert – http://journals.ama.org/doi/abs/10.1509/jm.15.0006 .
Ob Shitstorms schaden oder nicht, ist leider mit der aktuellen Datenlage nicht zu messen. Bei einer größeren Fallzahl und standardisierten Zeitreihen-Finanzkennzahlen könnte man aber zumindest messen, ob es generelle Effekte gibt – aber auch hier lässt sich der Schaden für ein bestimmtes Unternehmen nicht ohne Fehler messen. Eben nur, ob es einen generellen Effekt gibt und ob dieser in bestimmten Situationen (bspw. Reaktionen) stärker oder schwächer ist. Das ist der zweite Schritt. Mit den Ergebnissen unserer Studie können wir Shitstorms zumindest einmal beschreiben, klassifizieren und ihre Entwicklung verstehen. Siehe hierzu auch die Diskussion am Ender der Studie.
Kontaktiere mich gerne via Email, wenn du das Thema Kausalitätsmessung vertiefend diskutieren willst – spannendes und hoch relevantes Thema! Nochmals: Danke für dein Feedback!
Viele Grüße,
PR