Der kleine Bug frisst das Social-Media-Profil

Gibt es einen Ausweg aus diesem Social-Media-Dilemma?

Der kleine Bug frisst das Social-Media-Profil

Der kleine Bug möchte aus der Spammer-Ecke abgeholt werden. – Illustration: Canva/KI-generiert

Wer sich in sozialen Netzwerken bewegt, hat nur sehr bedingt die Kontrolle und muss das Risiko gut abwägen: Wie oft habe ich schon dazu etwas geschrieben und öffentlich gesagt! Dennoch: Wenn, wie bei mir kürzlich auf LinkedIn, ein fieser Bug zuschlägt, kommt es trotzdem überraschend. Für die Plattform war es wohl nur ein Schluckauf. Für mein Netzwerk war es sehr nervig. Für mich – und andere Publizierende, bei denen der Fehler ebenfalls aufgetreten ist – war es ein kleines Desaster.

Und es zeigt, wie sehr wir letztlich alle am Tropf der Social Media hängen, auf denen die Anbieter die Regeln machen, die Funktionen beherrschen und auf denen eben nicht immer alles einwandfrei funktioniert. Wo sich der Algorithmus plötzlich ändern kann, so dass bewährte Mechanismen nicht mehr funktionieren oder Reichweite verlorengeht. Wo beispielsweise ein Account anscheinend ohne Grund suspendiert wird und nicht zurückzuholen ist (was mir zum Glück nicht passiert ist). Oder wo ein Profil plötzlich ungewollt zum Spam-Account wird und die Profilinhaberin nur hilflos zusehen kann (was mir passiert ist).

Was war passiert?

LinkedIn hat mit einer automatisierten Fehlfunktion beinahe mein Profil lahmgelegt, nachdem ich erstmals einen Newsletter auf der Plattform publiziert hatte. Erscheint eine solche erste Ausgabe, werden automatisch und unvermeidbar die eigenen Kontakte dazu eingeladen. Das sieht dann so aus, als käme es direkt von der betreffenden Person. Kommt es aber gar nicht. Es ist eine eingebaute Funktion. Man kann das nicht beeinflussen, nicht deaktivieren, nicht ändern. Man sieht es selbst nicht einmal. Aber in diesem Fall hat LinkedIn von meinem Profil aus wohl über mehr als 36 Stunden dieselbe Einladung immer wieder verschickt, an manche Personen pausenlos und offenbar bis zu hundert Mal. (Andere haben dagegen gar keine erhalten.) Dieser Bug hat mich zirka 100 Follower und Kontakte gekostet. Viel Zeit. Und einige Nerven. Und mich daran erinnert, wie schnell die vermeintliche Sicherheit einer Plattform, auf die wir mit viel Aufwand setzen, durchbrochen sein kann. Letztlich war es nur eine kleine Krise, ein Sturm im Wasserglas, aber wer weiß das schon zu Beginn? Mehr dazu gibt es hier, hier und hier auf LinkedIn.

Gibt es überhaupt eine Alternative?

Aber was wäre die Alternative? „Eigene Plattformen stärken, die wir selbst kontrollieren!“ Das ist das Mantra, das viele Kolleg:innen und ich eigentlich schon so lange wiederholen, wie es Social Media gibt.

Doch was nützt es, wenn sich große Teile der Diskussionen längst in soziale Netzwerke verlagert haben? Wenn KI-Tools wie ChatGPT dafür sorgen, dass immer mehr Suchanfragen gar nicht mehr auf einzelnen Webseiten landen? Dann kann man zwar weiter auf Inhalte auf eigenen Seiten setzen. Aber ohne die Kraft des Netzwerks, ohne die Diskussionen und eben auch die Sichtbarkeit auf externen Plattformen verlieren diese an Bedeutung.

Eigentlich wünschenswert – und doch risikobehaftet?

Eigentlich passiert ja also das sehr Wünschenswerte, wozu Social Media gemacht sind: der direkte Austausch unter Menschen. Problematisch ist es dennoch, wenn dieser sich, wie in meinem Umfeld, größtenteils sogar nur noch auf eine einzige Plattform konzentriert, nämlich LinkedIn. Seit es Twitter nicht mehr gibt und Facebook zumindest für viele Bereiche an Bedeutung verliert, hat sich diese Entwicklung noch verstärkt.

Eine solche Konzentration birgt eben auch eine Gefahr. Und damit spreche ich noch gar nicht von den Berater:innen, deren Geschäftsmodell die Beratung in Sachen LinkedIn ist. Oder von Influencern, die (in diesem Fall beispielsweise über Instagram oder YouTube) beachtliche Umsätze gemacht hatten und dann gesperrt wurden. Sondern auch von denen, deren Sichtbarkeit auf der Plattform gleichbedeutend mit ihrer Reichweite für ihr professionelles Angebot, ihr Image, ihre Wahrnehmung als Fachpersonen ist. Viele Kolleginnen und Kollegen berichten, dass mittlerweile ein Großteil ihrer Anfragen von potenziellen neuen Kunden über LinkedIn kommt. Das ist schön, solange es funktioniert.

Aufwand, Zeit, Geld investiert – und plötzlich alles weg?

Viele Menschen haben beachtlichen Aufwand, Zeit, Geld, Aufmerksamkeit investiert, um ihr Profil aufzubauen und mit Inhalten zu füllen, ihr Netzwerk auszubauen und zu gestalten, oft über Jahre. Es passiert zum Glück selten: Aber wenn ein solches Asset zerstört oder beschädigt wird, ist dies also tatsächlich ein herber Verlust.

Das gilt auch für Menschen in Unternehmen, die gar nicht unmittelbar immer selbst etwas verkaufen. Man muss das mal ganz offen sagen: Viele Corporate-Influencer-Programme, die ich begleite, sind eigentlich LinkedIn-Programme. Zwar wird man seriöserweise ein solches Programm immer so planen, dass ein Großteil des persönlich Erarbeiteten auch für andere Plattformen anwendbar ist. Dennoch: Das Risiko, das mit einer solchen, oft exklusiven Fokussierung einhergeht, lässt sich nicht übersehen.

Es betrifft auch die Social CEOs, die ich berate, und für diejenigen, die ich in meinem Podcast interviewt habe. In letzterem stelle ich immer als eine Frage am Schluss: „Was wäre, wenn es LinkedIn morgen nicht mehr gäbe …“ Die Antworten sind sehr unterschiedlich von: „Das wäre ein echter Verlust“ über „Dann würde ich meine Kontakte auf einer anderen Plattform wiederfinden“ bis zum augenzwinkernden „Dann hätte ich plötzlich ganz viel Zeit“. (Hören Sie selbst hinein, was die verschiedenen Interviewten im O-Ton sagen.)

Was wäre, wenn …?

Ich habe mir diese Frage angesichts des oben beschriebenen Desasters auch gestellt; als, von mir völlig unbeeinflussbar und ja auch unverschuldet,zeitweise meine Followerzahlen wie in einem Countdown minütlich sanken: Was ist, wenn ich morgen mein über Jahre mit viel Aufwand gepflegtes Profil nicht mehr habe – oder jedenfalls kein nennenswertes LinkedIn-Netzwerk mehr?

Relativ schnell hat sich herausgestellt: Alles wohl halb so schlimm. Und vor allem kein Grund, ein riesiges Drama daraus zu machen. Aber immerhin Anlass genug für einige Gedanken zum Thema, von denen vielleicht auch andere profitieren können.

Fazit: Keine Lösung – aber vielleicht alles halb so schlimm?

Für das Dilemma, nicht ohne diese Plattformen zu können, aber selbst nicht die Kontrolle zu haben, gibt es also keine wirkliche Lösung, vor allem keine, die alle Risiken minimiert. Aber folgende fünf Punkte sind mir in der Reflexion darüber noch einmal so richtig klargeworden:

Erstens: (Kommunikations-)Krisen können jederzeit auftreten. Unangehm, aber nicht zu vermeiden. Und meistens weniger bedrohlich als erwartet. Natürlich ist nur ein Social-Media-Account, aber ein für mich wichtiger. Die Sache hat sich im ersten Moment vor allem deswegen bedrohlich angefühlt, weil ich teils sehr wütende persönliche Nachrichten von Menschen erhalten habe, die mich eigentlich besser kennen sollten. Aber dass ein LinkedIn-Account ganz und vollständig den sprichwörtlichen Bach hinuntergeht, ist wohl doch nicht so wahrscheinlich. Und echte große Krisen sehen sowieso anders aus als so ein relativ kleiner Social-Media-Störfall.

Zweitens: Social Media sind nicht alles. Es gibt auch in meinem Umfeld immer noch sehr viele Menschen, die gar nicht auf LinkedIn sind oder zumindest nicht aktiv. Das gilt auch für viele Personen bei Auftraggeber-Unternehmen, in denen ich andere Projekte begleite, etwa Kommunikationsstrategie und Content-Marketing. Und diese Menschen sind auch beruflich erfolgreich. Oft betone ich hier dennoch die Bedeutung von LinkedIn als derzeitigem Goldstandard in der persönlichen Business-Kommunikation via digitale Medien. (Natürlich weise ich auch hier seit jeher zugleich auf die Risiken eines solchen Quasi-Monopols für zumindest ein bestimmtes Segment hin.)

Drittens: Risiko hin oder her, Social Media sind (für mich) nicht verzichtbar. Auch wenn ich tatsächlich immer noch einen Großteil meiner Kundenanfragen auf anderen Wegen als via LinkedIn erhalte: Mein Profil mit mehr als 10.000 Followern (Stand: Juni 2024) stellt für mich nicht nur ein wertvolles Asset dar, sondern bietet vor allem die Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu bleiben, Wissen und Informationen zu bekommen. Und selbst mein Wissen in die Welt zu bringen. In einer Form und mit einer Reichweite, die ich zumindest momentan in keinem anderen sozialen Netzwerk realisiere. Nicht zu kommunizieren und sich herauszuhalten: Das stellt meiner Meinung nach immer noch das weitaus größere Risiko dar.

Viertens: Auf die Menschen kommt es an. Gerade in Krisen wie einer solchen erweist sich nicht nur die eigene Erfahrung in Sachen Krisenkommunikation als hilfreich. Es zeigt sich vor allem die Kraft eines persönlichen Netzwerks, das unterstützend in die Bresche springt. Viele Menschen haben mir Hilfe angeboten, einige mich sehr intensiv unterstützt. Den wenigen wütenden Privatnachrichten von Personen, die allen Ernstes angenommen hatten, ich würde sie persönlich pausenlos mit Spam-Einladungen überziehen, stehen viele, viele Kontakte gegenüber, die mir unterstützende Nachrichten und Kommentare geschrieben haben. Und den rund 100 Follower:innen, die ich verloren habe, stehen mehr als 10.000 gegenüber, die in meinem Netzwerk geblieben sind. Sowie viele neue Kontakte, die hinzugekommen sind.

Fünftens: Niemand ist hier „schuld“. Klar, der Fehler war nicht von mir ausgelöst, sondern lag in einer Funktion der Plattform. Doch auch bei einer großen, scheinbar anonymen Plattform arbeiten Menschen, die im persönlichen Kontakt sehr freundlich und unterstützend sind. Die dann aber auch einmal durchblicken lassen, was es für sie für einen Stress bedeutet hat, dass ihr eigenes Produkt plötzlich ein unkontrolliertes Eigenleben entwickelt hat, das sie nicht so einfach einfangen konnten. Fehler passieren, und keine Technik ist völlig fehlerfrei. Daher sind wir alle auch gefordert, unseren Menschenverstand einzusetzen – und vielleicht einfach davon ausgehen, dass ein scheinbar nerviges Verhalten auch einfach ein technischer Schluckauf sein könnte, daher einfach mal kurz abwarten und die Ruhe bewahren.

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Für das LinkedIn-Monopol-Risiko gibt es also aus meiner Sicht nach wie vor keine einfache Lösung. Ich kann auf die Präsenz dort nicht verzichten. Aber ich setze eben nicht alles nur auf diese Karte.

Letztlich war es zwar ein unerfreuliches Erlebnis. Aber kein existenzbedrohliches Drama. Und dann ist ja in diesem Fall doch alles gutgegangen. Wie meistens im Leben.

Wie sehen Sie das? Schreiben Sie mir, gerne via LinkedIn. Hier geht es zu meinem Profil.

Dr. Kerstin Hoffmann