Social Media: 7 Auswege aus der täglichen Überlastung
Schlechte Stimmung, Genervtheit, persönliche Beeinträchtigung in Social Media? Es gibt auch andere Wege als den kompletten Ausstieg. (Bild: durantelallera, shutterstock)
Inhaltsverzeichnis
Bewusster Umgang statt plötzlicher Abgang: So kann es klappen
Wer in diesen Zeiten eine Personenmarke aufbauen, Sichtbarkeit für das eigene Unternehmen erzeugen oder sich zu bestimmten Themen positionieren und austauschen will, ist auf Social Media angewiesen. Das gilt für Selbstständige genauso wie für sehr viele Angestellte auf allen Fach- und Führungsebenen. Doch während wir einerseits über die Bedeutung von Markenbotschaftern (auch) in der digitalen Kommunikation sprechen, liest man andererseits fast jeden Tag beispielsweise auf Facebook genervte Postings von Menschen, denen das alles zu viel wird. Skandale, so wie die aktuelle Diskussion um Datenmissbrauch bei Facebook tun dann oft ein übriges: „Ich lösche meinen Account. Ihr erreicht mich per E-Mail und Telefon.“ liest man dann. Oder: „Mir wird das alles zu viel. Ich mache mal einen Monat Pause. Mal sehen, ob ich dann wiederkomme.“ Oder: „Ich lese hier nur noch Müll und politisch Zweifelhaftes. Ich bin dann mal raus.“
Der vermeintliche Anlass ist oft nur der Auslöser
Doch der vermeintliche Anlass ist bei vielen nur noch der letzte Auslöser. Was vielen Menschen oft vor noch gar nicht so langer Zeit als neuer großartiger Kanal für die Kundengewinnung und den Austausch im Netzwerk erschien, gerät ihnen zunehmend zur Belastung, wie mir eine Bekannte verriet: „Ich habe das Gefühl, ich muss praktisch Tag und Nacht online sein, auch am Wochenende. Dauernd neue Kommentare und Reaktionen, dazu private Nachrichten – und nur ein Bruchteil davon ist für mich beruflich relevant.“
Trotzdem lasse sie sich immer wieder dazu verleiten, durch ihre Timeline zu scrollen, auf dieses Video zu klicken und jener Verlinkung zu folgen: „Da sind dann im Nu ein paar Stunden plötzlich buchstäblich verdaddelt.“ Bei Twitter hat die Betreffende sich daher erst gar nicht mehr angemeldet, und ob sie – wie geplant – ihre Aktivitäten in dem Businessnetzwerk LinkedIn doch noch ausbauen wird, erscheint ihr mittlerweile mehr als fraglich.
Was nützt die größte Sichtbarkeit, wenn der Mensch leidet?
Dabei gibt es gerade für Einzelunternehmer und Firmen mit beschränktem Werbe- und PR-Budget kaum wirkliche Alternativen zur persönlichen Online-Kommunikation. Herkömmliche Wege der Akquise funktionieren lange nicht mehr so gut wie früher. Dieselbe Freundin gibt selbst zu: „Seit ich mich auf Facebook als Marke präsentiere, ist die Zahl der Neukunden-Anfragen kontinuierlich angestiegen. Auch meine Website wird viel besser besucht, und mein Ratgeber-Blog wird mittlerweile vielfach weiterempfohlen.“
Doch was nützt die größte Sichtbarkeit in digitalen Medien, wenn der Mensch sich dabei überlastet fühlt und schlimmstenfalls gar nicht mehr richtig zum Arbeiten kommt? Warum überfordert uns die Präsenz in Sozialen Medien schneller als die in anderen? Und: Gibt es Wege, Überlastung und Frust zu vermeiden?
Warum Soziale Medien so nützlich und so verführerisch zugleich sind
Wer sich in sozialen Netzwerken mit anderen trifft und austauscht, auch zu beruflichen Fragen, muss sich weitgehend von den herkömmlichen Vorstellungen über Werbung und Kundenakquisition verabschieden, die auch heute noch in vielen Köpfen vorherrschen.
Menschen wollen am liebsten mit Menschen kommunizieren, die authentisch herüberkommen. Das gilt auch für den professionellen Bereich. Paradoxerweise erzielt die Eigen-PR die größte Wirkung, wenn sie weitgehend frei von Werbe- und PR-Botschaften ist. So hat Kommunikation in Netzwerken im Grundsatz seit jeher funktioniert: Wer auf andere eingeht und ihnen zudem nützliche, hilfreiche oder unterhaltsame Inhalte schenkt, erfährt seinerseits Unterstützung und wird weiterempfohlen.
Wer sich zu sehr zurückhält, muss leider außen vor bleiben
Wer sich hingegen nicht persönlich engagiert und sich Gesprächen auch abseits von Sachfragen verweigert, wird für andere Menschen ziemlich farblos bleiben. Echte Beziehungen, und damit Sichtbarkeit und Relevanz, baut nur derjenige auf, der auch emotionell erreichbar ist und direkt mit anderen interagiert. Wer einfach nur gelegentliche eigene Botschaften und Links in das Statusfeld schüttet, wird allein schon vom Algorithmus als irrelevant aussortiert.
Doch genau darin liegt eben auch die Problematik: Soziale Medien funktionieren also dann am besten, wenn der ganze Mensch sich zeigt und auch Persönliches einbringt. Zudem vermischen sich gerade auf Facebook private und berufliche Nutzung. Das bedeutet zugleich: Selbst der- oder diejenige, die sich vor allem aus professionellen Erwägungen heraus engagiert, kommt gar nicht umhin, das gesamte Spektrum der Inhalte und Gespräche abzudecken.
Keine Profi-Kommunikation ohne persönliche Erfahrung
Auch dies gilt natürlich nicht nur für Freiberufler und Einzelunternehmer, sondern auch für Angestellte: Man kann meiner Ansicht nach auch im Auftrag des Arbeitgebers keine professionelle Social-Media-Strategie umsetzen, wenn man nicht über persönliche Erfahrungen in sozialen Netzwerken verfügt.
Viele Menschen haben gegenüber diesen immer noch große Vorbehalte. Doch sind die einmal überwunden, stellt sich bei vielen regelrechte Begeisterung ein. Es erschließen sich im Digitalen völlig neue Möglichkeiten. Resonanz und Sichtbarkeit steigen. Zum einen erhalten die Betreffenden plötzlich viel Feedback und können daraus lernen. Zum anderen gewinnen sie plötzlich Zugang zu unendlich vielen interessanten Inhalten. Das führt oft dazu, dass mehr als die ursprünglich veranschlagte Zeit aufgewendet wird. Schnell sind über das Scrollen durch Facebook ein paar Stunden vergangen, die man eigentlich anders einsetzen wollte.
Always on: Wenn die Euphorie zum Frust wird
Irgendwann ist man gefühlt „always on“, und dabei ist ja etwa Facebook nur einer von vielen Kanälen, über den Neuigkeiten hereinkommen: Messenger wie WhatsApp, News-Portale und nicht zuletzt E-Mails fordern schließlich ebenfalls Aufmerksamkeit.
Doch ist es vor allem wohl die eigene emotionale Beteiligung, die irgendwann in Überdruss umschlagen kann. Dies geschieht erst recht dann, wenn plötzlich Wolken am Social-Media-Himmel aufziehen: böse Kommentare politisch Andersgesinnter, unsachliche Kritik oder gar Beleidigungen und Streit. Dann setzt nicht selten eine Trotzreaktion ein, und der oder die Betreffende vergisst jegliche professionelle Distanz, mit der er oder sie einmal angetreten ist.
Wer sich nur privat in sozialen Netzwerken austauscht, was auch immer die Beweggründe dafür sein mögen, hat zumindest scheinbar die Wahl, jederzeit damit aufzuhören. Tatsächlich ist ja aber das Digitale nicht abgetrennt von der Realität zu betrachten, sondern stellt eine Ausweitung der Realität und eine Fortsetzung der Beziehungen dar.
Wenn der vorschnelle Abgang mehr schadet als nützt
Nun sind natürlich soziale Netzwerke nicht die einzige Art, Beziehungen zu pflegen. Aber sie erleichtern dies und erweitern die Möglichkeiten; zumal dann, wenn das gesamte Umfeld hier unterwegs ist. So wird selbst der Privatmensch, der sich aus der digitalen Welt zurückzieht, nach einer Weile merken, dass ihm wichtige soziale Informationen fehlen und sich womöglich abgeschnitten fühlen. Daher kann ein vorschneller Abgang schädlich sein, erst recht im beruflichen Zusammenhang.
Denn Social-Media-Accounts, in die man Zeit und Aufmerksamkeit investiert hat, stellen Werte dar. Der Blogger, der nicht mehr auf Facebook ist, kann nicht mehr auf neue Artikel aufmerksam machen. Der Veranstalter kann nicht mehr zu Events einladen. Wer keine eigene Stimme hat, kann nicht an Gesprächen teilnehmen. Wer nicht dort präsent ist, wo gesprochen wird, erfährt nichts über aktuelle Entwicklungen oder gerät in Vergessenheit.
Sieben Auswege aus dem digitalen Burnout
Ist der große Frust einmal da, dann ist es womöglich (fast) zu spät, noch einmal Freude an sozialen Netzwerken zu gewinnen. Am besten hilft Ihnen dann tatsächlich eine längere Pause, um mit etwas Abstand neu zu starten und herauszufinden, was für Sie am besten funktioniert – und was nicht. Wer in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder LinkedIn vor allem aus beruflichen Erwägungen unterwegs ist, sollte seine Aktivitäten strategisch planen und zeitlich sinnvoll budgetieren.
Allerdings sollte man dabei eine entscheidende Tatsache nicht vergessen: Der digitale Wandel hat unser Leben im Privaten wie im Beruflichen so weitgehend verändert, dass sich die Uhr nicht einfach zurückdrehen lässt. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir mehr, schneller und auf deutlich mehr Wegen kommunizieren als noch vor wenigen Jahren. Reaktionszeiten haben sich verkürzt. Wir sind einer wachsenden Informationsflut ausgesetzt. Selbst derjenige, der sich aus sozialen Netzwerken gerne heraushalten würde, kann sich der Dauerbeschallung nicht komplett entziehen. Das wäre realitätsfremd.
Wer jedoch mit großem Widerstand auf Unvermeidliches reagiert, leidet erfahrungsgemäß stark darunter und fühlt sich schnell komplett überlastet. Besser ist es, konstruktiv an die Sache heranzugehen. So lässt sich leichter eine Strategie entwickeln, die es ermöglicht, beruflich zu profitieren, ohne sich ausgelaugt zu fühlen. Hier meine sieben Tipps, wie Sie am besten vorgehen:
1. Persönliche Kommunikation strategisch planen
Gerade für Einzelunternehmer und Mittelständler stellt der Bereich Unternehmenskommunikation seit jeher auch zeitlich eine große Herausforderung dar. Oft ist die Chefin oder der Chef alleine auch für Werbung und Marketing zuständig. Auch in vor-digitalen Zeiten war da schnell das eine oder andere Wochenende komplett mit solchen Arbeiten ausgefüllt. Richtig geplant und konsequent umgesetzt kann die Kommunikation in digitalen Medien aber sogar entlasten, weil sie mit vertretbarem Aufwand für Sichtbarkeit und Reichweite sorgt. Doch dafür reicht es eben nicht, einfach mal loszulegen und irgendetwas zu posten. Professionelle Kommunikation erfordert strategische Planung und handwerklich saubere Umsetzung. Das gilt auch für Personenmarken, in größeren Unternehmen ebenso wie bei Solo-Unternehmern.
2. Zeitliche Grenzen setzen
Aktivitäten in sozialen Medien gehören, wenn sie professionell motiviert sind, zum Marketing-(Zeit-)Budget. Das bedeutet, dass Sie sich selbst Grenzen setzen sollten. Wie das genau aussieht, hängt sehr von den persönlichen Gegebenheiten ab. Während der eine sein Zeitmanagement generell gut im Griff hat, braucht der andere dafür genaue Pläne. Hilfreich kann es beispielsweise sein, sich nur bestimmte Zeiten am Tag für Aktivitäten in digitalen Medien zu reservieren und diese dann auch genau einzuhalten. Wenn Sie ohnehin Tools nutzen um festzuhalten, wie viel Zeit Sie für welche Projekte aufwenden: Dokumentieren Sie auch Social-Media-Zeiten. Oft ergeben sich hier überraschende Beobachtungen.
Klar ist auch: Wenn mehr Aufgaben hinzukommen, aber Zeit und Budget gleichbleiben, dann muss unter Umständen etwas anderes wegfallen.
3. Bewusst immer wieder Auszeiten einplanen
Ob es regelmäßig das Wochenende ist oder ein längerer Urlaub: Niemand muss immer in sozialen Netzwerken präsent sein. Pausen, auch längere, sind völlig okay. Dabei ist es Ihren eigenen Vorlieben überlassen, wie Sie das regeln. Lassen Sie sich von anderen auch umgekehrt nichts einreden. Mancher braucht den Offline-Urlaub; der andere kann sich auch mit Internet-Zugang gut erholen. Jeder wird es einmal so und einmal so empfinden.
4. Private Nutzung abgrenzen
Fast niemand ist „nur dienstlich“ oder „nur privat“ in sozialen Netzwerken unterwegs. Die private Nutzung liefert indes auch wertvolle Erfahrungen für den professionellen Bereich. So lernen Sie hier beispielsweise mehr über das Verhalten anderer Nutzer und können sich auch selbst dabei beobachten, wie Sie auf die Botschaften von Marken und Personenmarken reagieren. So wie Sie es in der übrigen Kommunikation oder beispielsweise bei Ihrem Surfverhalten im Netz tun, können Sie jedoch auch im Social Web Privates und Berufliches zumindest teilweise trennen.
Wenn Sie schon keine komplette Auszeit nehmen, könnten Sie beispielweise für eine gewisse Zeit die digitale Kommunikation auf Ihre Dienstzeiten beschränken und zumindest in Ihrer Freizeit auch Benachrichtigungen und Push-Mitteilungen abstellen.
5. Einen Strategie-Check einlegen
Spätestens wenn Sie den großen Social-Media-Frust erleben – oder erste Anflüge davon –, ist es Zeit, einmal in sich zu gehen: Woran liegt es, dass ich mich so fühle? Wo habe ich vielleicht meine eigenen Grenzen überschritten? Und: Warum und wie war ich eigentlich einmal angetreten? Bin ich noch auf meiner selbstgewählten Linie? Stimmt mein Zeitmanagement noch? Noch besser: regelmäßige Überprüfungs- und Feedbackphasen fest einplanen. Damit der große Frust möglichst erst gar nicht eintritt.
Helfen könnte auch die Arbeit mit der Reputationsskala, mit der sich die eigenen Aktivitäten gezielt abgestuft planen lassen.
6. Professionelles Feedback einholen
Bleiben Sie aufmerksam für die Reaktionen anderer auf das, was Sie an Inhalten und zu Gesprächen beitragen. Vielleicht tun Sie ja viel mehr, als nötig ist – oder Ihre Beiträge zahlen gar nicht mehr durchweg auf die Kommunikationsstrategie ein, mit der Sie gestartet sind. Das bedeutet auch, dass Sie offen für Kritik sind. Zudem können Sie andere direkt nach ihrer Meinung fragen. Ein Sparringspartner, der das Kommunikationshandwerk beherrscht und sich im Digitalen auskennt, kann sehr hilfreich sein. Doch sollte er Sie, vor allem was die personengebundenen Aktivitäten angeht, dabei unterstützen, die Werkzeuge in einer Weise anzuwenden, die genau zu Ihnen passt. Solounternehmer können sich auch im Kollegenkreis zusammenschließen und einander gegenseitig Feedback geben.
Vor allem dann, wenn Sie sich häufig persönlich angegriffen fühlen oder Ihr digitales Umfeld dich mehr und mehr wie eine Belastung anfühlt, sollten Sie sich professionell oder kollegial unterstützen lassen. So lassen sich bedenkliche Entwicklungen frühzeitig erkennen und besprechen, um wenn notwendig gegenzusteuern.
7. Hochs und Tiefs akzeptieren
Zu guter Letzt: Ein bisschen Frust von Zeit zu Zeit ist ganz normal, nicht nur, was Social Media angeht. Jegliche persönliche Kommunikation ist natürlichen Schwankungen unterworfen. Wahrscheinlich kennen Sie das: Manchmal gehen wir mit Freude zu Treffen und Veranstaltungen. Ein anderes Mal liegt uns schon ein kurzer Abstecher auf eine Messe Wochen vorher im Magen, und wir würden uns viel lieber für eine ganze Weile einigeln.
Manchmal liefern wir in Gesprächen aus dem Stegreif präzise formulierte Statements ab, ein andermal erscheint uns das eigene Handeln fast schon unbeholfen. Insofern stellt die objektiv perfekte und gleichbleibende Kommunikationsstrategie, gleich in welchen Medien, ohnehin eine Illusion dar.
Wer das akzeptiert, macht sich auch den Austausch in sozialen Netzwerken leichter, weil sich der Druck verringert. Eine solche Sichtweise ist vielleicht sogar die beste Versicherung gegen den digitalen Burnout.
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