„Wenn jeder für das Gute gibt, gewinnen alle“

Interview mit Greta Andreas, Speakeragentin und Positionierungsexpertin

Greta Andreas – Foto: Elena Engels

Frage: Frau Andreas, Sie haben mir erzählt, dass Sie Seminare für Speaker geben, für die Sie selbst kein Honorar erhalten. Auch das ist ja eine Form des (in diesem Falle nicht-digitalen) Content-Marketings. Inwiefern profitieren Sie selbst davon? Welche eigenen Ziele verfolgen Sie damit?

Greta Andreas: Ja, ich engagiere mich im Rahmen einer professionellen Rednerausbildung. Da geht es um kongruente Positionierung. Die angehenden Profi-Speaker schärfen ihre Themen und erarbeiten sich im besten Fall ihr ‚fitting Brand‘, ihr persönliches Speakerprofil. Vielversprechende Speaker scheitern oft daran, dass sie zu früh zu sehr nach außen auf das schauen, was ‚der Markt‘ braucht oder Mitbewerber als Erfolg suggerieren. Sie investieren in Marketing, Webseiten, Videos, Produkte, bevor sie ihren eigenen Kern kennen und ihr Personal Branding entwickelt haben. Dadurch verschwenden sie oft wertvolle Ressourcen (Geld, Zeit, Aufmerksamkeit). Weil ich diesen logischen Prozess der Erkenntnis, Entwicklung und Positionierung von innen nach außen für wesentlich halte, predige ich das überall – und eben auch pro bono, für das Gute.

„Für das Gute“ halte ich übrigens trotz all des damit verbundenen Aufwandes eine TEDx-Lizenz. Bei den internationalen TED Konf knackigen Kurzpräsentationen weltweit und gratis. Die Videos werden millionenfach geklickt – so wird ein großartiges, grenzüberschreitendes Netz geknüpft. Pro bono ist überhaupt das Stichwort: „für das Gute“. Wenn jeder etwas Gutes in das gemeinsame Feld zurückgibt, gewinnen alle.


Über diese Interviewreihe

„Verschenke, was du weißt – um zu verkaufen, was du kannst!“ Das ist die Kernaussage meines Buchs und meiner Methode PRINZIP KOSTENLOS. Für die Praxisbeispiele in der Neuauflage habe ich insgesamt zwölf bekannte Wissensteiler selbst zu Wort kommen lassen. Die Befragten beschreiben, was sie antreibt, was bei ihnen gut funktioniert und auf welche Weise sie so erfolgreich geworden sind. Sie berichten von ihrer Positionierung, von persönlichen Erfahrungen, vom Umgang mit Wettbewerbern und Netzwerkpartnern. Diese Interviews erscheinen nach und nach hier im PR-Doktor.

„Prinzip kostenlos. Wissen verschenken – Aufmerksamkeit steigern – Kunden gewinnen“, Neuauflage August 2017, 266 Seiten, Hardcover, ISBN: 978-3-527-50908-9, Wiley-VCH, Weinheim


Frage: Welche Rolle spielen soziale Netzwerke in Ihrer eigenen Kommunikation?

Greta Andreas: Im professionellen Bereich konzentriere ich mich auf die wenigen Netzwerke, die ich noch aktiv parallel handhaben kann: Facebook, LinkedIn, Twitter, Instagram. Um tumblr und reddit müsste ich mich mal kümmern; Pinterest und Snapchat gehören bei mir eher ins Private und Stayfriends fristet sein Dasein als Poesiealbum der Vergangenheit …

Facebook gehört für mich zum Alltag. Hier finden schneller, direkter Austausch und Vernetzung statt, hier kann ich Strömungen und Kommunikationstendenzen früh wahrnehmen und agieren. In manchem Thread kündigt sich schon ein Thema an, für das es dringend Speaker braucht. Oder anders herum: Via Facebook lerne ich Menschen mit spannenden Ansätzen und Ideen kennen, die sich selber vielleicht nicht als ‚Speaker‘ bezeichnen würden, jedoch großartig zu bestimmten Fragestellungen Auskunft geben können. Dann entwickeln wir vielleicht ein Vortragsformat und – voilà! Oder es entstehen hochinteressante Diskussionen, die mir die Welt aus anderen Perspektiven nahebringen- was übrigens sowohl für den privaten als auch den professionellen Kontext gilt. Dies trenne ich nicht zu scharf, auch wenn es natürlich Listen gibt und nicht jeder Post für alle sichtbar ist.

Ein anderer Aspekt gewinnt derzeit an Bedeutung: das Politische im Alltäglichen. Wer bereit ist, seine Filterblase zu verlassen und sich nicht nur mit ähnlich orientierten Freunden austauscht, erlebt mitunter unangenehme Überraschungen. Counterspeechgruppen wie #ichbinhier treten für konstruktiven Dialog ein – und das zum Beispiel dürfen meine Kunden auch von mir erfahren.

Frage: Sprechen wir über Ihre Kunden und den Ebenenwechsel zwischen verschenkter und verkaufter Leistung. So gut wie jeder Vortragsredner hat wohl mit unbezahlten Vorträgen angefangen; selbst bekannte Redner treten immer noch gelegentlich pro bono auf. Wenn jedoch die verschenkte und die verkaufte Leistung identisch sind, wie schafft man den Sprung, und wo verläuft die Trennungslinie?

Greta Andreas: Es kann sehr gute Gründe geben, pro bono aufzutreten. Speaker sollten sich immer gezielt fragen: Wofür genau ist es gut, hier honorarfrei aufzutreten? Was wäre (m)ein angemessener Ausgleich, wenn schon kein monetärer? Erreiche ich ein für mich relevantes Publikum, das anders nur schwer zu erreichen ist? Kann ich experimentieren? Wie groß ist mein Aufwand? Ist dafür gesorgt, dass ich in guter Qualität präsentieren kann? Ist es hilfreich für Medienpräsenz? Ist es eine Möglichkeit, das nächste Level zu erreichen? Entspricht es meinen Werten, meiner Core-Kompetenz?

Zwingend notwendig ist die genaue, frühzeitige Klärung des Kontextes mit dem Veranstalter. Nur wenn dieser Ihr übliches Honorar und Ihre Wünsche kennt, wird er den Wert des gestifteten Beitrages angemessen schätzen und um Ausgleich bemüht sein. Oft wissen Veranstalter einfach gar nicht, welcher Ausgleich für den Redner spannend sein kann. Helfen Sie ihnen!


Möchten Sie mehr über das PRINZIP KOSTENLOS erfahren, oder haben Sie Fragen?

Hier geht es zur Website mit Zusatzangeboten rund um das Buch und die Methode.
Hier geht es zur Facebook-Gruppe für Austausch und den direkten Draht zur Autorin.


Frage: Womit schadet sich ein Redner selbst, wenn er die eigene Leistung verschenkt, und wo nützt es ihm?

Greta Andreas: Darin kann ein großer Gewinn liegen: ein tolles Speaker Video generieren, wertvolle Erkenntnisse und Einblicke gewinnen, fruchtbare Begegnungen erleben, zukunftsfähige Kontakte knüpfen, eine Studie entwickeln, in eine neue Peergroup aufgenommen werden, Anschlussprogramme anbieten, die Strahlkraft einer großen Marke als Referenz nutzen. Oder ganz einfach ’nur‘ ein paar Tage in einem schönen Hotel verbringen, für welches der Veranstalter Kontingente hat.

Ein Redner schadet sich allerdings, wenn er unreflektiert seinen Vortrag auf beliebigen Marktplätzen unter Wert anbietet. Zu Anfang kann es hilfreich sein, viele Bühnen zu nutzen, um zu üben – notfalls eben auch honorarfrei. Doch auch hier gilt es, die oben genannten Fragen zu prüfen. Es kann sehr frustrierend sein, auf Messen im zugigen Gang zu stehen und ohne gescheite Technik den vorbeihastenden Besuchern etwas Relevantes mitgeben zu wollen.

Wenn Sie jedoch eingeladen werden, einen TED Talk zu halten: sofort zusagen! Und dann: üben, üben üben. Weltweit reißen sich Speaker darum, auf einer TED Bühne zu präsentieren und hoffen, dass der Glanz dieses Global Brands auf sie abstrahlt. Noch funktioniert dies sehr gut.


Greta Andreas ist Gründerin und Inhaberin der Agentur GoldenGap. Sie berät, managt und vermittelt Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medien. Autorin und Ghostwriterin, Expertenrat, Prüfungskommission und Dozentin des STI Professional Speaker Zertifikatslehrgangs „Professional Speaker GSA (SHB)“. Lizenzinhaberin und Kuratorin des internationalen TEDx-Formates. www.goldengap.de


Dr. Kerstin Hoffmann