Social CEO: Wenn das sichtbarste Markengesicht das Unternehmen verlässt
Der Social CEO geht – und nimmt die eigene Sichtbarkeit in Social Media mit. Schadet dies dem Unternehmen? Kann man die aufgebauten Werte dennoch sichern? Was macht das eigentlich mit der betreffenden Personenmarke? Was lässt sich daraus lernen? Und: Ist das überhaupt primär ein Social-Media-Thema? Ein Beitrag aus aktuellem Anlass.
Inhaltsverzeichnis
Einer der bekanntesten deutschen Social CEOs verlässt das Unternehmen: VW-CEO Herbert Diess, der regelmäßig die LinkedIn-Rankings anführt, wie hier in einer Auswertung von Palmer Hargreaves, räumt seine Position. In der Medienwelt, und natürlich nicht nur da, hat die Nachricht beträchtliches Aufsehen erregt, und natürlich schauten alle zuerst auf seine eigenen Äußerungen im Business-Netzwerk. Doch betrachten wir die Sache einmal aus der Perspektive der Corporate-Influencer-Strategie: Welche Auswirkungen hat dies auf das Unternehmen? Welche Rolle spielen dabei überhaupt soziale Netzwerke? Und: Was können Unternehmen ebenso wie Personenmarken daraus lernen?
Beträchtliche Werte, beträchtliche Ressourcen – beträchtliche Verluste?
Ein gut gepflegter und über längere Zeit nachhaltig aufgebauter Social-Media-Account stellt einen beträchtlichen Wert dar. Handelt es sich um die Präsenz eines Mitarbeiter-Markenbotschafters oder gar eines Social CEO oder einer anderen exponierten Persönlichkeit aus dem Unternehmen, kommt dieser Wert nicht allein der Personenmarke zugute. Sichtbare Corporate Influencer, deren öffentliche Profile sind auch für den Arbeitgeber beträchtliche Assets.
Innerhalb eines Corporate-Influencer-Programms fließen ja zudem auch beträchtliche Ressourcen in deren Förderung. Bis heute lautet daher ein häufig geäußerter Einwand gegen die aktive Förderung von Mitarbeiter-Markenbotschaftern: Wenn man einen Angestellten als Markengesicht aufbaut und dieser in der Folge das Unternehmen verlässt, seien die aufgebauten Werte mehr oder weniger hinfällig. Dies aber stimmt erstens nur bedingt. Zweitens überwiegen die Nachteile, wenn man nicht fördert und unterstützt, bei weitem den möglichen Verlust bei einem Weggang.
Zum einen sollte man sich klarmachen, dass der Wert eines Arbeitnehmers gleich welcher Unternehmensebene nicht allein durch dessen Sichtbarkeit in Social Media definiert ist. Das würde den Gedanken der Corporate Influencer regelrecht pervertieren. Sie sind nicht, was sie digital zu sein scheinen. Sie bilden vielmehr ihre Persönlichkeit, ihre Netzwerke, ihre Skills auch auf digitalen Wegen ab – und nutzen umgekehrt die digitalen Plattformen, um ihre Skill, ihre Netzwerke und auch ihre persönliche Wirksamkeit auszubauen.
Doch bereits in Vor-Social-Media-Zeiten galt, was heute noch Bestand hat: Je besser und intensiver die Beziehungen sind, die jemand zu den Stakeholdern seines Arbeitgebers aufbaut, desto größer ist der Verlust, wenn sie oder er geht. Natürlich entsteht über die Werte, die für das Unternehmen generiert werden, notwendigerweise für jede Personenmarke zugleich ein eigenständiger Wert. Das gilt aber auch für diejenigen, die sich in Social Media völlig zurückhalten.
Das Wesentliche entscheidet sich nicht in Social Media
Selbstverständlich lässt es sich andererseits nicht abstreiten, dass ein öffentlich sichtbarer Markenbotschafter eben auch für andere potenzielle Arbeitgeber sichtbarer wird. Allerdings muss man gerade für die Führungsebenen konstatieren, dass wohl kaum je ein „Social Executive“ deswegen das Unternehmen verlässt, weil ein potentieller neuer Arbeitgeber erst via LinkedIn oder Twitter auf sie oder ihn aufmerksam wurde.
Umgekehrt wird die beste Social-Media-Reputation nicht verhindern, dass sich ein Unternehmen von einem Protagonisten trennt und jemand anders diese Position erhält, wenn die Entscheider dies sinnvoll oder notwendig erachten.
Alles eine Frage von Ton und Stil?
Wenn der- oder diejenige das Unternehmen verlässt, nimmt er oder sie natürlich einen beträchtlichen Teil des eigenen Personenmarkenwertes mit. In die Personenmarkenstrategie eines Mitglieds der Unternehmensleitung fließen naturgemäß besonders viele Ressourcen aus PR- und Kommunikationsabteilungen. Das müssen sie sogar, denn diese Präsenz ist ja, siehe oben, ein Teil ihres öffentlichen Auftretens.
Persönlichkeiten aus Vorstand und C-Level sind nie nur als Personen in sozialen Netzwerken präsent, sondern immer auch als offizielle Repräsentant*innen des Unternehmens. Daher kann jede kleine Äußerung sich unmittelbar auf das Unternehmen auswirken, sogar dessen (Börsen-)Wert steigern oder mindern.
Wie stark heute persönliche Profile von Entscheider*innen in sozialen Netzwerken auch wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Folgen haben, ist ja allenthalben zu beobachten. Personen wie Elon Musk (Tesla) sind da schon Extrembeispiele. Auch weniger exzentrische und berühmte CEOS müssen und sollten sich gut überlegen, was sie sagen. Privat ist man als exponierter Entscheider nie unterwegs, auch und erst recht nicht in Social Media.
Daher entscheiden der Ton und der Stil, wie alle Beteiligten in einer besonders sensiblen Situation wie der Abwahl eines Vorstandsvorsitzenden kommunizieren, mit darüber, wie sich die Situation auf das Unternehmen ebenso wie auf die Reputation der beteiligten Personen auswirkt.
Warum Social Media nicht optional sind
Doch wer glaubt, dass Sichtbarkeit in sozialen Netzwerken den Wert der Personenmarke einer oder eines CEO steigert, zäumt das Pferd von der falschen Seite auf. Die führenden Köpfe großer Unternehmen stehen in der Öffentlichkeit, nicht erst seit der Erfindung von LinkedIn.
Dass sich hieraus eine Verpflichtung ableitet, Medien zeitgemäß zu nutzen, sollte eigentlich selbstverständlich sein. In Wirklichkeit ist meiner Ansicht nach also eine solche Präsenz nicht optional und schon gar keine besondere Zusatzleistung der Betreffenden. Sondern vielmehr ein Gebot der Zeit.
Was bedeutet das für den Nachfolger?
Daher wird im Idealfall ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin wiederum einen Personenmarkenwert einbringen – oder zügig daran arbeiten, eine ähnliche Sichtbarkeit und Relevanz aufzubauen wie der Vorgänger. Alles andere wäre schlicht unklug. Die bereits etablierten Unterstützungsmechanismen im Unternehmen können weiter genutzt werden. Doch natürlich wieder die oder der Neue sie nach eigenen Vorlieben gestalten – auch das kein Social-Media-Thema, sondern ein sehr übliches Führungsverhalten.
Um auf den hier genannten konkreten Fall zurückzukommen: Wie sich die öffentliche Sichtbarkeit von Herbert Diess in Zukunft entwickeln wird, hängt ganz wesentlich davon ab, wie und wo er sich in Zukunft positioniert. Doch ganz sicher wird sein zukünftiger Erfolg nicht allein in Social Media entschieden. Sein Nachfolger Oliver Blume allerdings, der sich bisher mit eigenen Aktivitäten in Social Media sehr zurückgehalten hat, täte aus den genannten Gründen klug daran, hier nun nachzuziehen, aber eben in seinem eigenen Stil.
Niemals auf eine einzelne Person ausrichten!
Doch sollten solche Überlegungen zugleich ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es heuzutage weniger denn je sinnvoll ist, Corporate-Influencer-Strategien singulär auf eine Person auszurichten. Vielmehr sollte auch die Personenmarkenstrategie rund um eine Führungspersönlichkeit im Unternehmen so aufgebaut werden, dass Konzeption, Vorgehensweise und interne Strukturen reproduzierbar und auf andere übertragbar sind. Denn das macht Corporate-Influencer-Strategien erfolgreich: Die Pluralität aller Stimmen aus allen Unternehmensebenen.
Je mehr Unternehmensangehörige in Social Media sichtbar sind, umso mehr wird der Wert eines neu einzustellenden Mitarbeitenden auch über den Wert seiner bereits bestehenden Personenmarke definiert. Für einen sichtbaren Markenbotschafter, der geht, kommt dagegen im Idealfall ein neuer hinzu. Das bedeutet zugleich für die einzelnen Personen: Wer unsichtbar bleibt, mindert die eigenen Karrierechancen. Und das wird in Zukunft noch mehr als bisher auch für Führungspersönlichkeiten gelten. Nicht als erstes Kriterium vielleicht. Aber als Teil des Gesamtbildes. Daran sollten sich kommende angehende CEOs schon einmal gewöhnen.
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