Purpose statt Ich-Botschaften: So geht Personal Branding

Erfolgreiches Personal Branding: Purpose statt Ich, Ich, Ich

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Was ist der Sinn, das Ziel des Personal Brandings? Maximale Sichtbarkeit erzeugen? Unzählige Likes erzielen? Selbst so gut wie möglich dastehen? – Manchmal scheint es, als seien dies die wirklichen Ziele derjenigen, die in sozialen Netzwerken an ihrer Personenmarke arbeiten. Das Internet ist voll von Tipps, wie es gelingt, die eigene Personal Brand  ins richtige Licht zu rücken. Entsprechend sehen auch viele Profile und Postings in sozialen Netzwerken aus: lauter, schriller, schöner, noch mehr Status. Doch wozu soll es gut sein, wenn alle nur immer bessere Selbstdarsteller werden? Am Beispiel herausragender Persönlichkeiten: Es geht auch anders – mit Purpose.

Purpose von Personen: Sichtbarkeit ist kein Selbstzweck

Zum Glück ist das Internet auch voll von Menschen, die sich für etwas größeres Ganzes einsetzen. Ein solches Engagement führt dann überhaupt erst zu einer öffentlichen Wahrnehmung. Häufig nehmen die Betreffenden sie allenfalls billigend in Kauf. Oder sie setzen ihre Reichweite dafür ein, ihr Anliegen weiter voranzutreiben.

Purpose statt Gewinnmaximierung: In den vergangenen Jahren hat die Betrachtung dessen, was Unternehmen über ihre wirtschaftlichen Ziele hinausträgt, stark an Bedeutung gewonnen. Kunden wollen sehen, zu welchen Werten ein Anbieter beiträgt. Fachkräfte suchen sich Arbeitgeber, die ihnen Antworten auf die Frage nach dem „Warum“ liefern: Was sind die Ziele, der höhere Zweck unserer Unternehmungen? Wie nutzen wir wirtschaftlichen Erfolg, um zu etwas größerem Ganzen beizutragen? Nur so kann man heute Menschen für ein Unternehmen begeistern.

So wie es einen Corporate Purpose gibt, kann man auch im Personal Branding von Purpose sprechen – einem höheren Zweck, einem größeren Ganzen, zu dem jemand beiträgt. Dies geht weit über das Thema der (Personen-)Markenbildung hinaus. Das Image folgt dem Purpose – nicht umgekehrt.

Zum Thema: Video und Podcast

Mein Video „Personen(-Marken) und das größere Ganze“ hat sehr viel positive Resonanz erzeugt. Es hat sehr viele erfreuliche Nachrichten und bestärkendes Feedback von Menschen eingebracht, dies es ganz ähnlich sehen. Daher greife ich das Thema in diesem Beitrag noch einmal ausführlich auf.

Das Video können Sie hier anschauen. 

Alternativ können Sie diese Ausgabe von Zur Lage der Kommunikation auch als Podcast hören.

Hier gibt es alle Folgen von „Zur Lage der Kommunikation“ und eine Übersicht der Abo-Möglichkeiten.

Persönlichkeiten im Dienst einer Sache: Beispiele

Prominente Beispiele aus jüngster Zeit:Dazu gehört in Deutschland unbedingt der Virologe Christian Drosten. Als er kürzlich auf dem Kommunikationskongress wegen deiner Aufklärungsarbeit ausgezeichnet wurde, sagte er (laut dem Magazin „pressesprecher“):

„Ihm gehe es nicht um Selbstdarstellung. (…) Er sei nicht der Typ, der sich in der Öffentlichkeit sonne. ‚Wenn das (Anm.: die Pandemie) vorbei ist, werde ich aus der Öffentlichkeit schlagartig verschwinden.'“

Ein anderes herausragendes Beispiel: die kürzlich verstorbene Ruth Bader Ginsburg, Richterin am Obersten Gerichtshof der USA. Sie setzte sich zeitlebens für die Gleichberechtigung ein. Als sie im hohen Alter als „Notorious RGB“ regelrecht Kultstatus erlangte, setze sie auch diesen im Sinne ihrer selbst gesetzten Mission ein. In der Dokumentation „RGB: Ein Leben für die Gerechtigkeit“ wird sie von etlichen Weggefährten als bescheidene, zurückhaltende Person beschrieben.

Fängt man einmal an, nach herausragenden Beispielen zu suchen, findet man zum Glück viele weitere Beispiele: Menschen, die offenkundig nicht mit dem Ziel angetreten sind, eine sichtbare Personenmarke zu werden, die aber nun ihre Sichtbarkeit für etwas größeres Ganzes einsetzen. So etwa die Herzchirurgin Dilek Gürsoy:

Einige Vorbilder für werteorientiertes Handeln durfte ich für mein Markenbotschafterbuch interviewen, beispielsweise Magdalena Rogl, Head of Digital Channels bei Microsoft Deutschland.

Was ist überhaupt eine Personenmarke?

Ob man den Begriff nun mag oder verwendet: Jeder von uns ist, rein sachlich betrachtet, auf die eine oder andere Weise eine Personenmarke. Öffentlich oder im privaten Kreis, beruflich oder ehrenamtlich: In dem Moment, in dem wir mit anderen interagieren (oder auch uns entscheiden, nicht zu interagieren) erzeugen wir bei anderen einen Eindruck, ein Bild. Wir besitzen eine Reputation, ein Image. Wenn wir dies im professionellen Bereich bewusst gestalten, betreiben wir Personal Branding. Wenn wir im professionellen Kontext kommunizieren und dies nicht bewusst gestalten, betreiben wir auch Personal Branding, aber eben unbewusst. Damit sind wir dann mutmaßlich weniger erfolgreich oder zumindest weniger ausgerichtet im Sinne der eigenen Kommunikationsziele.

Eine Personenmarke ist nicht das, was ich selbst aufbaue, sondern das, was andere über mich wahrnehmen. Ich kann also bewusstes Personal Branding betreiben. Kontrollieren kann ich es aber nur bedingt. Denn die Personenmarke entsteht erst im Auge, im Ohr, im Kopf meiner Empfänger und Gesprächspartner. 

Wer mit anderen kommuniziert, ohne sich Gedanken über die (Aus-)Wirkungen zu machen, kann andere im schlimmsten Fall auch ziemlich nerven. Wer dies dagegen absichtsvoll gestaltet, kann sich auch in den Dienst einer guten Sache stellen, anderen weiterhelfen oder dazu beitragen, die eigenen Werte in die Welt zu tragen.

(Aus diesem Beitrag.)

Was können wir von sichtbaren Persönlichkeiten lernen?

„Was können wir von dieser oder jener Berühmtheit für die eigene Sichtbarkeit lernen?“ Das ist eine der beliebtesten Fragen, wenn es um das Thema Personal Branding geht. Zwischen den Zeilen oder sogar explizit wird dann zuweilen suggeriert, es könnte mit dem richtigen Branding praktisch jede*r als sehr sichtbare Personenmarke zu Ruhm und Reichtum gelangen. Man müsse nur aus dem Verhalten der Berühmtheiten die richtigen Patentrezepte ableiten (oder eine Beratung buchen, die diese Patentrezepte vermittelt).

Ich halte dies für einen gefährlichen Irrglauben, der dafür sorgt, dass das Internet und dass soziale Netzwerke mit immer noch mehr Ich-ich-ich-Botschaften überschwemmt wird und die Flut des Irrelevanten, Selbstreferentiellen irgendwann dazu führt, dass sich niemand mehr hindurchfindet.

Auch für diejenigen, die einer solchen Fehleinschätzung oder Fehlberatung unterliegen, ist es bedauerlich. Denn sehr viele Menschen haben ja ein Anliegen, einen positiven Attraktor, etwas größeres Ganzes, zu dem sie beitragen wollen. Würden sie sich darüber authentisch und echt mit anderen austauschen, statt das große Influencertum anzustreben, wäre ihr Wirkungskreis vielleicht viel kleiner. Aber ihre (Selbst-)Wirksamkeit wäre womöglich ungleich größer, und sie könnten in ihrem engeren Umfeld unabhängig von Likezahlen und Traffic viel mehr bewegen.

Ich finde: Nicht die Mechanismen und Kniffe für mehr von Sichtbarkeit sollten wir von solchen Persönlichkeiten lernen, sondern wie man über sich selbst hinauswachsen kann, indem man sich für eine gute Sache engagiert.

Sichtbarkeit ist aber auch keine Schande

Wer ein großes Thema hat, wen es auf die großen Bühnen zieht, wer möglichst viele Menschen erreichen will: Solche Menschen sollen hier keineswegs entmutig werden, große Reichweite anzustreben und sich dafür der passenden Methoden und Medien zu bedienen. Im Gegenteil!

Es ist ja überhaupt nichts Verwerfliches daran, als Einzelperson nach großer Sichtbarkeit und Reichweite zu streben, um ein eigenes Angebot zu vermarkten. Jede*r, der etwas anbietet, ist sogar darauf angewiesen, sich sichtbar zu machen. Doch auch hier lässt sich konstatieren, dass gerade dann Menschen mit ihrem Angebot besonders erfolgreich sind, wenn nicht ihre eigene Person zugleich die einzige Botschaft darstellt. Erfahrungsgemäß kommt die Resonanz von selbst, wenn die Botschaft stimmt; wenn also die Empfänger und Gesprächspartner den Eindruck gewinnen, dass in den Inhalten Nutzen für sie selbst steckt – und sie nicht nur als Claqueure und Klickvieh für einen Selbstdarsteller fungieren sollen.

„Wie gehe ich das Thema für mich an?“

Gleichwohl stellt es durchaus eine Kunst dar, die richtige Ausgewogenheit zwischen zu viel Bescheidenheit und zu viel reiner Selbstdarstellung zu finden. Für die meisten Menschen – zumal diejenigen, die nicht mit einem Riesenego durch die Welt laufen –, erscheint es sogar einfacher, sich selbst zu präsentieren, wenn sie die Sache und nicht nur sich selbst in den Vordergrund stellen.

Daher lohnt es sich immer, sich Gedanken zur eigenen Personenmarkenstrategie und zum Personal Branding zu machen, denn – siehe oben – auch wenn wir uns nichts dazu überlegen, erzeugen wir ein Image. Es gilt, Selbst- und Fremdbild abzugleichen.

Vor allem aber ergibt es Sinn, sich zu überlegen: Für welches größere Ganze will ich mich engagieren? Was ist das „Warum“, das mich motiviert? Wie kann ich mein Personal Branding nicht nur in den Dienst der eigenen Sichtbarkeit stellen, sondern zugleich mit meinen Inhalten zum Nutzen anderer beitragen? Techniken und Möglichkeiten gibt es viele, von individuellem Coaching über eine Mastermind-Gruppe bis zu Methoden wie Working out Loud.

Eines sollte jedoch klar sein, und das gilt für Marken ebenso wie für Personenmarken: Einen Purpose zu konstruieren, als Feigenblatt oder als vermeintliches Ziel, das jedoch nicht von innerer Überzeugung getragen ist – das wird nicht funktionieren.

Dr. Kerstin Hoffmann