Ist wirklich jeder Mitarbeiter ein Markenbotschafter?
Was Arbeitgeber kontrollieren können – und was nicht
Ob und wie Mitarbeiter eines Unternehmens öffentlich über ihren Arbeitgeber sprechen, war von jeher für das öffentliche Bild mit entscheidend. In digitalen Zeiten verbreiten sich solche Botschaften schneller und weiter. Können Unternehmen das überhaupt beeinflussen? Was ist zu bedenken? – Hier geht es darum, wie Mitarbeiter öffentlich und in ihren privaten Kreisen über den Arbeitgeber sprechen.
„Jede*r Mitarbeitende ist ein Markenbotschafter!“ – Diese Aussage wird oft als völlig neue Errungenschaft des digitalen Zeitalters gefeiert. Tatsächlich fiel ja auch in vor-digitalen Zeiten, das Verhalten von Unternehmensangehörigen auf die Marke zurück. Richtig ist aber, dass in digitalen Medien sich Äußerungen, auch über den eigenen Arbeitgeber ,viel schneller und weiter verbreiten. Auch hat mittlerweile fast jeder Mensch private Accounts in sozialen Netzwerken, und da liegt es natürlich nahe, etwa zum Teilen unternehmenseigener Inhalte zu motivieren.
Gerade letzteres wird sehr oft falsch verstanden. So wird wahrscheinlich kaum ein Arbeitnehmer sein privates Facebook-Profil dazu hergeben, irgendwelche PR-Postings von der Firmenseite zu teilen, die ihm vielleicht sogar peinlich werblich vorkommen.
Warnungen lassen sich oft relativieren
Oft wird warnend darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, dass Mitarbeiter sich keinesfalls auf nicht-PR-konforme Weise öffentlich über ihren Arbeitgeber äußern. Ja, das zu regeln, ist eine Aufgabe der internen Kommunikation, und dazu braucht man beispielsweise Social-Media-Guidelines.
Nach meiner Erfahrung ist es jedoch ungleich schwerer, Mitarbeiter überhaupt dazu zu bekommen, dass sie sich öffentlich als Markenbotschafter in irgendeiner Weise betätigen; etwa indem sie auch nur gelegentlich die Facebook-Postings oder Blogbeiträge der Firma liken oder teilen.
Der Blick auf das Smartphone, in den eigenen Facebook-Account, die schnelle Kommunikation via Messenger wird mehr und mehr zum Normalfall. Interessanterweise sind hier viele Geschäftsleitungen und sogar Kommunikationsabteilungen rückständiger als selbst solche Mitarbeiter, die beruflich nicht mit Kommunikation befasst sind und auch keine Führungsaufgaben innehaben. Mittels des gesunden Menschenverstandes, des allgemeinen Verständnisses von loyalem Arbeitnehmerverhalten und der Unterstützung durch Social-Media-Guidelines sollte auch im Digitalen das funktionieren, was seit jeher Bestandteil funktionierender Arbeitsverhältnisse war: Wer in seiner beruflichen Funktion seriös und glaubwürdig sein will, kann sich im privaten Bereich nur sehr begrenzt Ausrutscher leisten.
Vom „No-Go“ bis zum Teilen-Wollen
Schlecht über den eigenen Arbeitgeber zu sprechen, ist ein absolutes „No-Go“. Das gilt natürlich für soziale Medien ebenso. Umgekehrt fällt es positiv auf das Unternehmen zurück, wenn sich dessen Angehörige positiv äußern. Im Idealfall fordern Aktivitäten eines Unternehmens in sozialen Netzwerken regelrecht dazu heraus, dass sich die Mitarbeiter beteiligen, beispielsweise in dem sie Statusmeldungen oder Bilder ihres Arbeitgebers in ihren Accounts teilen, auf Veranstaltungen hinweisen oder auch nur den RSS-Feed des Corporate Blog in ihre persönlichen Neuigkeiten auf XING einfließen lassen.
Damit Unternehmensinhalte den Weg auf die Pinnwände von Mitarbeitern finden, müssen sie er die gleichen Anforderungen erfüllen wie in der externen Kommunikation: Das Teilen muss dem Teilenden einen Nutzen bringen, etwa indem er oder sie damit beispielsweise sein eigenes Image verbessert, etwa indem er seinen Kontakten Unterhaltsames bietet.
Unterdrücken ist schwierig
Andererseits verbreiten sich, wie immer im Leben, schlechte oder bedrohliche Botschaften besonders schnell auch unter Mitarbeitern. Das geht heute besonders rasant, und der Zeitraum zwischen dem Auslöser und dem Moment, an dem etwas an die breite Öffentlichkeit gelangt, schwindet zusehends.
Daher müssen Unternehmen heute insgesamt transparenter kommunizieren, und es fällt schwer, überhaupt noch irgendetwas unter der Decke zu halten. Dies gilt trotz aller Geheimhaltungsvereinbarungen, die jeder normale Arbeitsvertrag enthält, und die natürlich auch für Äußerungen in sozialen Netzwerken gelten.
Nicht jeder Mitarbeiter wird zum Pressesprecher!
Die Aussage, dass jeder Mitarbeiter ein Botschafter des Unternehmens ist, bedeutet also keineswegs, dass nunmehr jeder Unternehmensangehörige in jeder Funktion ein ausgegliedertes Mitglied der Kommunikationsabteilung wäre und für das Unternehmen sprechen würde oder gar direkt aus dem Berufsalltag über irgendwelche Interna twittern sollte. Auch darüber muss in der internen Kommunikation Klarheit geschaffen werden.
Keinesfalls darf und kann jetzt jeder Einzelne öffentlich, in sozialen Netzwerken, im eigenen Profil die Funktion eines Unternehmenssprechers übernehmen. Er oder sie vertritt zwar das Unternehmen insofern nach außen, wie auch zu früheren Zeiten das Verhalten von Mitarbeitern einer Firma an Schnittstellen zu anderen Menschen oder einer Teilöffentlichkeit bestimmten Anforderungen entsprechen musste und heute genau so muss.
Andererseits sind die Mitarbeiter viel mehr in der Pflicht, Inhalte zu liefern, Geschichten aus ihrer täglichen Arbeit heraus zu erkennen. Ein Handyfoto von einer Dienstreise oder einem Vortrag, ein Smartphone-Video von einer Produktanwendung vor Ort, ein kurzes Statement aus der Entwicklungsabteilung für Twitter, ein Fachbeitrag eines Technikers für das Unternehmensblog: Spontane, nicht werblich durchkomponierte Formen gewinnen in den Zeiten digitaler Contentstrategien immens an Bedeutung.
Was authentisch und nicht werblich daherkommt, wirkt oft viel glaubwürdiger als inszenierte Inhalte und Darstellungsformen. Es ginge jedoch in eine völlig falsche Richtung anzunehmen, dass nun jeder im Unternehmen auch wüsste, wie Kommunikation funktioniert und somit jeder beliebige Beteiligte PR- und Social-Media-Taugliches auf eigene Initiative hin in der gewünschten Qualität produzieren könnte.
Was man braucht: klare Prozesse
Dort, wo Mitarbeitende bereit sind, selbst etwas nach außen zu kommunizieren, bedarf es vor allem klarer Regeln und Prozesse. Es kann ja sein, dass das Außenteam direkt vom Einsatz twittert, aber dann muss das vorher genau abgesprochen haben. Je größer ein Unternehmen ist, je mehr unterschiedliche Personen in ganz verschiedenen Funktionen beteiligt sind, desto komplexer gestaltet sich die Angelegenheit. Immer ist es auch eine Frage der Unternehmenskultur insgesamt und der Kommunikationskultur im Unternehmen.
Zeitgemäße Kommunikation in digitalen Zeiten bedeutet dennoch ganz sicher in einem ziemlich großen Ausmaß den Abschied davon, dass ein Unternehmen mit einer einzigen, offiziellen Stimme sprechen müsse oder überhaupt nur kann. Digitale Kommunikation braucht Gesichter, braucht Pluralität, braucht verschiedene Stimmen. Aber diese dürfen einander zumindest in den grundlegenden Säulen den Werten und Zielen eines Unternehmens nicht widersprechen, und sie müssen zu dem passen, was konzeptionell geplant ist und operativ umgesetzt werden soll.
Die eigentliche professionelle Unternehmenskommunikation gehört nach wie vor in die Hände der Kommunikationsprofis. Sie mutiert nicht plötzlich zu irgendetwas spontan und herzerfrischend aus dem richtigen Leben Gegriffenen, für das man keinerlei Handwerkszeug mehr benötigen würde. Dies stellt hohe Anforderungen an die Beteiligten, und es funktioniert wiederum nur dann, wenn die Strukturen und formalen Gegebenheiten so sind, dass die Abläufe sich natürlich und logisch daraus ergeben.
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